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Kolumne American PieGöttliche Mission

Kolumne
von Thomas Winkler

Wenn bei den Denver Broncos alles verloren scheint, läuft Tim Tebow zur Höchstform auf. Mit unkonventionellen Spielzügen prägt er einen neuen Spielstil.

Erfolgreiche Rückmeldung im Dialog mit seinem Schöpfer. Bild: ap/dapd

D enver liegt 1.609 Meter über dem Meeresspiegel, genau eine Meile. Mile-High-City heißt die Stadt in Colorado deshalb. Nirgendwo sonst auf der Welt wird so nah am Himmel professioneller Football gespielt wie hier in den Rocky Mountains.

Kein Wunder also, dass ausgerechnet hier der momentan prominenteste Wundertäter der amerikanischen Sportwelt gelandet ist. Sein Name ist Tim Tebow, offiziell ist er Quarterback der Denver Broncos. Genannt wird er aber mittlerweile "Mile High Messias", denn kein anderer Football-Spieler hat in so kurzer Zeit so viele verlorene Spiele noch umgedreht.

Das vorerst letzte Wunder inszenierte Tebow am vergangenen Sonntag. Bis viereinhalb Minuten vor Ende der Partie lagen die Broncos 0:10 gegen die Chicago Bears zurück - und das völlig verdient.

Doch dann geschah das Unglaubliche: Tebow spielte plötzlich wie ein junger Gott, und acht Sekunden vor Schluss versenkte Broncos-Kicker Matt Prater ein Fieldgoal aus der gewaltigen Entfernung von 59 Yards zum 10:10-Ausgleich. In der Verlängerung traf Prater erneut zum vollkommen unerwarteten Sieg.

In letzter Sekunde dreht er das Ding

So geht das schon seit Wochen. Sechs Spiele haben die Broncos nun in Folge gewonnen und sich zum aussichtsreichen Playoff-Kandidaten gemausert. Die meisten der Erfolge kamen wie gegen Chicago in letzter Sekunde und höchst glücklich zustande. Statistisch gesehen sind die Broncos eines der schlechtesten Teams der Liga. So rangiert ihr Passspiel, für das Tebow hauptverantwortlich ist, auf Platz 31 von 32 NFL-Teams. Tebow selbst nimmt in vielen entscheidenden Pass-Kategorien den letzten Platz aller NFL-Quarterbacks ein, nicht einmal die Hälfte seiner Pässe findet einen Abnehmer.

Aber kurz vor Schluss, wenn alles verloren scheint, dreht er halt das Ding. Gegen die Bears brachte Tebow in den ersten drei Vierteln nur drei Pässe an den Mann. Doch im letzten Viertel wurden 15 seiner 20 Versuche von einem Mitspieler gefangen. "Ich habe keine Ahnung, warum wir erst anfangen, vernünftigen Football zu spielen, wenn wir das Spiel eigentlich schon verloren haben", wunderte sich Chefcoach John Fox anschließend. "Ich weiß nur, dass ich deswegen sehr schnell altere."

So seltsam ist die Siegesserie, dass der als akribischer Tüftler bekannte Fox zur Erklärung auf höhere Mächte zurückgreifen muss: "Ich möchte dem lieben Gott danken." Damit meinte Fox zwar nicht ausdrücklich seinen Quarterback, aber spielte darauf an, dass Tim Tebow tatsächlich eine außergewöhnlich intensive Beziehung zum Allmächtigen pflegt. Geboren wurde Tebow in Manila, als seine Eltern dort als Missionare ihrer baptistischen Sekte stationiert waren.

Er und seine Eltern sehen ihn als göttliches Wunder

Während der Schwangerschaft traten Probleme auf, die Ärzte empfahlen seiner Mutter eine Abtreibung, die sie aber aus religiösen Gründen verweigerte. Seitdem sehen seine Eltern ihren Sohn als göttliches Wunder an. Eine Einschätzung, die der 24-Jährige, der nie eine öffentliche Schule besucht hat, sondern von seinen Eltern zu Hause unterrichtet wurde, mittlerweile teilt.

Tebow sieht einen sportlichen Erfolg als Teil einer göttlichen Mission und lässt kaum eine Gelegenheit aus, den Allmächtigen zu preisen. So regelmäßig kniet Tebow auf dem Spielfeld nieder, um seinem Schöpfer zu danken, dass sich dafür mittlerweile die Wortschöpfung "to tebow" eingebürgert hat.

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20 Kommentare

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  • EF
    E. Friedrich

    Tim Tebow hat Potential und lebt es aus – getragen von dem Bewusstsein, wem er dies alles verdankt. Gott, seinem Schöpfer, und seinen Eltern, die während der schweren Krankeit von Mutter Pam nicht dem Rat der Ärzte folgten, die Schwangerschaft zu beenden.

    Wie viele Sportstars mögen sich wohl unter den mehr 82 000 Kindern gefunden haben, deren zartes Leben im Laufe der ersten 3 Quartale diesen Jahres mit ärztlicher Unterstützung ein frühes Ende fand? Während in Politik und Medien darüber spekuliert und debattiert wurde, was denn zu tun sei, damit in Deutschland wieder mehr Kinder geboren werden, um der Überalterung der Gesellschaft entgegenzuwirken. Findet sich nicht hier eine der Ursachen für den viel beklagten demographischen Wandel? 4 866 513 Abtreibungen zählte das Stat. Bundesamt von 1976 bis 2010 (Ost und West zusammen), davon 97 % nach Beratungsregelung, sprich „Wohlstandsindikation“.

     

    Möge der talentierte Tebow für seinen Verein in Denver weiter viele Punkte einspielen! Und auf seine Weise ein Zeichen setzen für das Leben.

     

    Thomas Winkler: In Ihrem Beitrag haben Sie die sportlichen Leistungen und Tim Tebow „als ganzen Menschen“ im Blick. Danke!

  • E
    Eichkaetzele

    Keine Ahnung, warum mein letzter Beitrag nicht durchgekommen ist.

    Ist egal, meine Meinung wurde schon mehrfach von anderen Lesern zum ausdruck gebracht. Jetzt noch ein bisschen was dazu:

    Gestern bin ich mit der Lektüre von Kafkas "Verwandlung" fertig geworden.

    Die Hauptperson kann wegen ihrer plötzlichen körperlichen Behinderung ihre Familie nicht mehr ernähren.

    Gleichzeitig hält ihr hässliches Aussehen ihre Familie davon ab, nunmehr menschlichen Kontakt mit ihr zu pflegen. Ihre Familie wiederum grenzt sich − trotz Arbeit und Untervermieten eines Zimmers − wegen ihrer bloßen Anwesenheit von der Außenwelt ab.

    Ihr Vater schlägt sie, ihre kränkliche Mutter schafft den Weg nicht zu ihr, ihre Schwester pflegt sie zuerst, versteht sie aber nie; da sie selber arbeiten muss, schenkt sie ihr immer weniger Zeit, sodass sie am Schluss sogar vergessen hat, dass es sich dabei um ihren Bruder handelt, und mit ihrem Vater beschließt, dass dieser "weg" müsse.

    Und siehe, der verwandelte Bruder wollte, da er sah, wie sehr er seiner Familie zu Last fiel, die ganze Zeit nichts anderes als "weg", und noch am selben Abend wird sein Wunsch erfüllt: Er stirbt.

    Sofort geht es der Familie besser; sofort zeigt sich auch, dass der Vater im Konflikt mit seinem Sohn einen endgültigen Sieg errungen hat, den er zu genießen weiß. Auch die Schwester findet sich in ihrer neuen Situation als Einzelkind beglückt. Und doch am Schluss denkt man unwillkürlich und mit etwas Unwohlsein daran, was mit diesem "jungen Körper" werden könnte, den sie im letzten Satz "streckt". Denn nach bisheriger Erfahrung erlaubt es die Natur sehr wohl, dass jemand aus dieser Familie wieder "krank" werde.

    Wäre aus dem verunglückten Bruder wirklich nur ein "krepiert[er]" "Mistkäfer", hätte seine Familie hinter ihm gestanden?

    Kafka geht es aber, soviel ich herauslesen kann, weder darum, dem Käfer gewordenen Menschen − der von seinem Schaffer viele Züge angenommen hat − sein Recht auf weiteres Dasein abzustreiten, noch darum, über dessen Familie ein Urteil zu fällen, für die seine Hauptperson fast nur Lob findet.

    Kafka interessiert das Los eines Menschen, der nur Gutes tun will, aber für menschliche Verhältnisse überhaupt nichts kann, wie ein zum Käfer verwandelter Mensch, oder wie zahlreiche Schwerbehinderte. Und gerade heute stellen wir fest, dass auch Käfer einen Bahnhof umbauen können ;) !

  • M
    Martin

    Jährlich werden 110431 Babys in unserem Land abgetrieben. Die Geschichte von Tim würde es nicht geben, hätten seine Eltern sich auch dazu entschieden! Danke für diesen Artikel!

  • B
    Barbara

    Danke dass Sie berichten, dass der 24-jährige fast abgetrieben worden wäre. Es zeigt mir, dass niemand weiß, was aus all den Kindern, die abgetrieben wurden, geworden wäre. Im Jahr 2010 waren es laut Angaben des Statistischen Bundesamtes 110.431 Babys.

     

    Das Projekt 1000plus macht sich genau darüber Gedanken und die dabei entstandene Kampagne „Lebenspotentiale“ zeigt, dass jeder fehlt, der nicht geboren wird. Die Ergebnisse finden sich hier: http://www.1000plus.de/mitmachen/downloads/fotos-poster

     

    Wir schulden ungewollt schwangere Frauen, die sehr verzweifelt sind, echte Beratung und konkrete Hilfe und dürfen sie nicht im Stich lassen - damit Mütter und Kinder glücklich werden. So wie Tim Tebow und seine Mutter.

  • S
    Susanne

    Danke für diesen ermutigenden Bericht! Und wir traurig, wenn man bedenkt, wie viele Eltern sich in ähnlichen Fällen anders Kind entschieden haben...

    Ich glaube auch an Gott und kann bezeugen, dass Gott in ausweglosen Situationen helfen kann und helfen will! Bei der Schwägerin einer Freundin hatte sich in der Schwangerschaft die Plazenta abgelöst und die Ärzte gaben dem Kind nur wenig Überlebenschancen. Doch nachdem meine Freundin gebetet hatte,erfuhr sie am nächsten Tag, dass die Plazenta wieder angewachsen war und das Baby ist dann später völlig gesund auf die Welt gekommen! Gott sei Dank!

  • K
    Klaus

    "Ich bin froh das sich meine Mutter für mich entschieden hat, da ich sonst nicht wäre."

    Dieser Gedanke schoß mir durch mein Kopf, als ich Ihren Bericht laß.

    Danke dafür, da Sie damit zeigen was für wertvolle Menschen verloren gehen, obwohl es eine Kinderklappe und eine Vielzahl andere Möglichkeiten gibt... DANKE...

  • MH
    Martin Hillemeyer

    Nicht nur im "Land der unbegrenzten Möglichkeiten" sind solche Erfolgsgeschichten möglich, weil bei Gott alles möglich ist unabhängig vom Ort. Ja, ein göttliches Wunder offenbart sich Eltern bei der Geburt ihres Kindes. Das erging auch Maria und Josef so ....

  • MW
    Margit Wagner

    Vielen Dank für diesen beeindruckenden Bericht. Sind Menschen die den Glauben an Jesus Christus ernst nehmen jedoch gleich in einer Sekte? Jesus drängt uns zu einer Entscheidung und die hat dann in allen Lebenslagen Auswirkungen. Auch mir wurde eine Fruchtwasseruntersuchung dringend empfohlen wegen Verdachts von Down Syndrom meines 4. Kindes und kurz nach der Geburt diagnostizierten sie eine schwere Stoffwechselstörung. Außer Gebet habe ich nichts unternommen und meine Tochter ist heute eine sehr intelligente Frau die auf die Zulassung zum Musikstudium wartet. Ihre Musikalität ist eine wahre Freude mit der sie schon viele Menschen beglücken konnte.

  • MT
    Marina Türk

    Respekt für die Eltern, die nicht abgetrieben haben.

    Respekt für Tim Tebow ,der zu seinem Glauben steht.

  • R
    Regina

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    Ich glaube nicht, dass streng religiöse Fundamentalisten, Abtreibungsgegner und Mörder von Abtreibungsärzten in einen Topf geworfen werden dürfen. Es braucht nicht einmal eine religiöse Überzeugung, um den Wert menschlichen Lebens anzuerkennen und alles dafür zu tun, dass es Frauen und Männeren ermöglicht werden kann, Ja zu ihrem Kind zu sagen. Und eine dem Leben zugewandte christliche Haltung will nicht urteilen, sondern Hilfestellung leisten und begleiten. Denn niemand treibt gerne ab! Und jedes Kind, das nicht geboren wird, fehlt ...

  • E
    Elisabeth

    Ich finde den Artikel sehr schön, weil er auch zeigt, was alles aus einem Menschen werden kann. Und dass die Ärzte nicht alles mit absoluter Sicherheit voraussagen können. Mir wurde auch zu einer Abtreibung geraten und heute bin ich stolz auf meine kleine Tochter - und auch auf mich, da wir beide die Situation durchgestanden haben.

  • S
    Simone

    Wie schön zu sehen, was aus einem Leben geworden ist, welches beihnahe der Tötungsempfehlung der Ärzte zum Opfer gefallen wäre. Ich hoffe, es macht allen Frauen Mut, die in einem ähnlichen Entscheidungsprozess stehen.

  • W
    wolfgang

    Vielen Dank für diese wohltuende Kolumne, die im Gegensatz zu vielen anderen Veröffentlichungen in den Medien allgemein trotz möglicherweise vorhandenem Zündstoff dem Leser es selbst überlässt, nachzudenken und sich eine Meinung zu bilden.So sollte es in einer demokratischen Gesellschaft, gleich welcher Färbung, sein.

  • M
    Mara

    Wie schön, dass Tim lebt!!! Ja, ungewollt schwangere Frauen, die sehr verzweifelt sind, schulden wir echte Beratung und konkrete Hilfe und dürfen sie nicht im Stich lassen - damit Mütter und Kinder glücklich werden. So wie Tim Tebow und seine Mutter! Vielen Dank für den Artikel

  • C
    Chris

    zu Tim: Nur weil man Christen und ihren Glauben nicht versteht, muß man sie nicht gleich als durchgeknallt bezeichnen. Freuen sie sich doch mit Tim Tebow, dass seine Mutter sich entschlossen hat ihn zu bekommen und dass er nun Erfolge für sein Team feiern kann.

  • A
    antony

    @ Tim - Warum sorgt es "bei denkenden Menschen für Übelkeit", wenn jemand dankbar ist, dass er lebt, und diesen Dank auch an den Himmel richtet?

    Die Geschichte von Tim Tebow verdeutlicht auf schöne Weise das Potenzial des Menschen - auch der Menschen, deren Eltern - sicher oft in Notsituationen - erwägen, dem Leben ihres Kindes schon während der Schwangerschaft ein Ende setzen zu lassen.

    Vielleicht würde die Entscheidung häufiger für das Leben des Kindes ausfallen, wenn mehr über die materiellen und menschlichen Unterstützungsangebote so vieler Organisationen bekannt wäre, die sich für das Leben ungeborener Kinder und das Wohlergehen von deren Eltern einsetzen?

  • WB
    Wolfgang Bönsch

    Schön, so was in der TAZ zu lesen. Vor Jahren hatte ich als Chef einer Werbeagentur dringend meiner 17-jährigen Auszubildenden geraten, ja sie sehr bedrängt das Kind einer Zufallsbebekanntschaft abzutreiben und ihr Leben nicht zu verbauen.

    Sie tat es Gott sei Dank nicht und so traf ich sie später wieder mit Ihrem gesunden, fröhlichen Zweijährigen, glücklich verheiratet und sehr froh es nicht getan zu haben und darüber bin ich heute noch froh.

  • S
    Schneider

    Dem Autor danke ich, weil er in seiner Kolumne das Wunder der verweigerten Abtreibung nicht einfach ignoriert sondern als zum Leben gehörig positioniert.

  • T
    Till

    Vielen Dank, Herr Winkler, für diesen Artikel. Toll, dass sie die ganze Geschichte von Tim Tebow mit darstellen, auch, dass er beinahe abgetrieben wurde - schön zu sehen, was aus ihm geworden ist.

  • T
    Tim

    Die dummen Vorurteile streng religiöser Fundamentalisten und Abtreibungsgegner zu übernehmen und nach Deutschland zu tragen, sorgt bei denkenden Menschen für Übelkeit. Witzig ist das nicht im Angesicht der Ermordungen von Abtreibungsärzten und der Autor verdeutlicht auch an keiner Stelle, dass es sich um einen ironischen Blick auf die Durchgeknallten handelt.