piwik no script img

Kolumne American PieDer große Konsumrausch

In der Baseball Major League schwimmen die Klubs im Geld. Allein den Los Angeles Dodgers ist ihr Team eine gute halbe Milliarde Dollar wert.

Ein „neureicher“ Los Angeles Dodgers Spieler beim Spiel gegen die San Francisco Giants Bild: reuters

Rei-U“? Nein, Sorry, „Ri-U“ ist richtig. Magic Johnson hatte noch Probleme, den Namen seiner letzten Neuerwerbung auszusprechen. Aber eins wusste der ehemalige Basketballstar und jetzige Mitbesitzer der Los Angeles Dodgers genau: Hyun-Jin Ryu soll seinem Baseball-Klub helfen, „zu gewinnen – und zwar sofort“.

Das lassen sich die Dodgers einiges kosten. Der 25-jährige Ryu, der sich am Montag in Los Angeles vorstellte, war in seiner Heimat zwar der beste Pitcher der vergangenen Jahre, aber die südkoreanische Liga ist bestenfalls zweitklassig. Der etwas pummelige Ryu wäre nicht der erste Import-Profi, der die Erwartungen nicht erfüllt. Trotzdem lassen sich die Dodgers die Verpflichtung einiges kosten: Ryu erhält einen 36-Millionen-Dollar-Vertrag mit einer Laufzeit von sechs Jahren. Allein für das exklusive Vorrecht, mit Ryu verhandeln zu dürfen, flossen zusätzliche 22,7 Millionen an seinen koreanischen Klub.

Dabei ist Ryu nur eine von vielen Neuverpflichtungen in Los Angeles. Die Verträge, die die Dodgers im vergangenen halben Jahr mit Spielern abgeschlossen haben, summieren sich insgesamt auf mehr als eine halbe Milliarde Dollar. Wenige Stunden nach Ryus Präsentation unterschrieb auch noch Zack Greinke in Los Angeles. Der 29-Jährige war der begehrteste Pitcher auf dem Markt und wird in den kommenden sechs Jahren insgesamt 147 Millionen in Kalifornien verdienen.

Bild: privat
Thomas Winkler

ist Autor der taz.

Greinke spielt seit 2004 in den Major Leagues, immer solide, aber selten überragend. Vor sechs Jahren hätte er wegen Depressionen und Angstzuständen beinahe seine Karriere beendet. Kein Risiko, finden die Dodgers: Mit einem Jahreseinkommen von 24,5 Millionen Dollar machen sie ihn zum bestbezahlten Pitcher aller Zeiten.

„Wir sind nicht verrückt“

Jedenfalls vorerst. Denn im Baseball ist der Konsumwahn ausgebrochen. Ein neuer Fernsehvertrag, den die MLB abgeschlossen hat, garantiert jedem der 30 Teams ab 2014 zusätzliche 25 Millionen Dollar jährlich. In Erwartung der gestiegenen Einnahmen werfen fast alle Manager das Geld aus dem Fenster, aber niemand investiert so hemmungslos wie die Dodgers, die seit 1988 keinen World-Series-Titel mehr gewonnen haben. „Wir geben Geld aus, um unsere Mannschaft zu verbessern“, sagt Magic Johnson, „aber wir sind nicht verrückt.“

Vielleicht nicht verrückt, aber womöglich zu reich. Im Mai hat eine Investorengruppe, denen der in Los Angeles seit seiner Zeit bei den Lakers ungemein beliebte Johnson als Aushängeschild dient, die Dodgers übernommen. Seitdem hat sich der Traditionsklub zum größten Gegenspieler der New York Yankees entwickelt, dem bisher unangefochtenen Branchenprimus. Dabei profitieren die Dodgers davon, dass ihnen im zweitgrößten TV-Markt des Landes kein Football-Team Konkurrenz macht. Zusätzlich zum MLB-Vertrag haben sie nun einen neuen lokalen Kabel-Fernsehvertrag abgeschlossen, der ihnen 240 Millionen Dollar im Jahr einbringen soll.

Mindestens 225 Millionen werden die neureichen Dodgers an ihre Spieler auszahlen, und die eine oder andere Neuverpflichtung dürfte sogar noch dazukommen. Der runderneuerte Kader hat zwar noch nichts gewonnen, aber immerhin bereits die Spitze einer Tabelle erklommen: Die Dodgers werden mit ziemlicher Sicherheit 2013 die teuerste Baseball-Mannschaft aller Zeiten aufs Feld schicken. In den vergangenen 15 Jahren gebührte diese zweifelhafte Ehre stets den New York Yankees.

Ob der finanzielle Machtwechsel auch eine sportliche Wachablösung nach sich ziehen wird, ist allerdings noch lange nicht abgemacht. Die San Francisco Giants gaben in diesem Jahr vergleichsweise bescheidene 118 Millionen aus – und gewannen im Oktober trotzdem die World Series.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!