Kolumne American Pie: Verlust der Unschuld
Er ist der Ausnahmespieler und nun der größte Schummler der NFL: Wegen entlüfteter Bälle werden Tom Brady und die Patriots hart sanktioniert.
![](https://taz.de/picture/42664/14/tom_brady_laechelnd.jpg)
T om Brady lächelt gern. Es ist das Lächeln eines Jungen, ein unschuldiges Lächeln. Dieses Lächeln hat Tom Brady in den 15 Jahren, die er nun schon sehr erfolgreich Profi-Football spielt, viele Sympathien eingebracht, noch mehr lukrative Werbeverträge und eine Ehefrau namens Gisele Bündchen. Das Lächeln hat einen sehr guten Sportler zum Schwiegermutterliebling, Aushängeschild und größten Football-Star seiner Generation befördert.
Ob Tom Brady am Montag das Lächeln vergangen ist, das ist nicht bekannt. Bekannt ist nur, dass der Quarterback des aktuellen Super-Bowl-Champions New England Patriots nun auch noch zum größten Schummler seiner Generation erklärt wurde – und das ganz offiziell. Die NFL fand es angemessen, ihn für vier Spiele zu sperren für seine Rolle in dem Skandal, der als „Deflate-Gate“ in die amerikanische Sportgeschichte eingehen wird. Eine Strafe, die im Unterhaltungsbetrieb NFL sonst nur Dopingsünder aufgebrummt bekommen.
Das Vergehen von Brady nimmt sich dagegen vergleichsweise harmlos aus. Während des Halbfinal-Spiels im Januar gegen die Indianapolis Colts stellten die Schiedsrichter fest, dass ein Großteil der zwölf Spielbälle der Patriots nicht den in den Regeln festgelegten Luftdruck besaß. Die schlappen Bälle, die für einen Quarterback im kalten und regnerischen Januar-Wetter in Boston wohl leichter zu greifen und zu werfen waren, wurden wieder aufgepumpt, New England gewann das Spiel deutlich mit 45:7 und zwei Wochen später auch das Endspiel gegen Seattle. Brady wurde zum herausragenden Spieler des Finales gekürt und zog mit seinem vierten Super-Bowl-Erfolg mit seinem großen Vorbild Joe Montana gleich.
Doch der 37-Jährige hatte keine Zeit, sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen. Die NFL setzte einen Ermittler ein, der das „Deflate-Gate“ aufklären sollte. Ein Vierteljahr später liegt nun das Ergebnis vor: Auf 243 Seiten stellt der Untersuchungsbericht fest, dass zwei Equipment-Manager der Patriots verantwortlich waren für das Luftablassen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Patriots diese Praktik schon früher anwendeten.
Aufgrund des Berichts sperrte die Liga Brady nun für ein Viertel der regulären Saison, suspendierte die Zeugwarte auf unbestimmte Zeit und bestrafte auch die Patriots. Der Klub muss eine Million Dollar zahlen und verliert jeweils einen Pick in den beiden kommenden Drafts. So schwer hat die NFL noch nie eine ihrer Franchises sanktioniert.
Bradys Agent: „lächerlich“
Die Reaktionen kamen prompt. Brady selbst hielt sich – wie üblich – vornehm zurück, schickte aber seinen Agenten Don Yee vor, der die Bestrafung als „lächerlich“ bezeichnete. Sie sei „ohne gesetzliche Grundlage“ zustande gekommen. In einem Statement klagte er, die Untersuchung habe „keine signifikanten Beweise“ für die Schuld seines Mandanten erbracht, und kündigte an, Einspruch gegen die Sperre einzulegen.
Tatsächlich kommt der Untersuchungsbericht nur zu dem auf Indizien beruhenden Schluss, dass Brady „eher wahrscheinlich als nicht“ von den Aktionen der Patriots-Zeugwarte wusste. Allerdings genießt Brady den Ruf, ein nachgerade manischer Perfektionist zu sein. Es ist unvorstellbar, dass ein paar kleine Angestellte es wagen würden, gegen den ausdrücklichen Willen des Superstar-Quarterbacks dessen Handwerkszeug zu manipulieren.
Trotzdem gehen die Meinungen über die Sperre weit auseinander. Das Time Magazine findet Bradys Bestrafung „irrwitzig“, während USA Today kommentiert, die NFL hätte „es schlussendlich doch noch hinbekommen“. Tatsächlich scheint die Strafe angesichts anderer Vergehen vergleichsweise harsch.
Das größere Problem für Brady dürfte allerdings der Fleck auf seinem bislang blütenweißen Image sein. Zum Vermächtnis des Tom Brady gehören nun nicht mehr nur die vielen Rekorde und Erfolge, sondern auch die Hauptrolle in einem der größten Skandale der NFL. Da hilft auch kein noch so unschuldiges Lächeln mehr.
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