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Kolumne Alles Bio?Die Kaninchen-Schlange-Blockade

Kolumne
von Julia Seeliger

Erster Wahlgang, Bundespräsident fertig, Kaffee trinken – die Gauck-Wahl wird zack-zack gehen. Danach könnten SPD und Grüne ja mal in die inhaltliche Debatte einsteigen.

W as unternimmt man nur am 18. März? Als Freundin des Schweinejournalismus ist das für mich natürlich eine schwere Entscheidung. Will man sich wirklich diese Bundesversammlung ansehen, schöne Reden von der ersten freien Volkskammerwahl, Freiheit, Hallelujah? Beobachten, ob wieder Blumen zu früh reingebracht werden und ob wer was dazu twittert?

Das wird doch dieses Mal zack-zack gehen, erster Wahlgang, Bundespräsident fertig, Kaffee trinken. Sind sich ja auch alle einig. Die paar, die nicht für Gauck sind, werden dann mehr oder weniger empört in Mikrofone sprechen, um von einem "Kartell des Neoliberalismus" zu halluzinieren.

Ist zwar schon verwunderlich, wie fix, reibungs- und diskussionslos der Kandidat aufgestellt wurde. Aber was will man machen. Das Ganze ist halt eine folgerichtige Entwicklung aus der rot-grünen Aktion im Jahr 2010. Konnte natürlich keiner damit rechnen, dass es Wulff nicht die üblichen fünf Jahre machte. Und jetzt zieht man's halt durch. Mit einem pauschalen "Man muss ja nicht alle Positionen teilen". Ohne inhaltliche Debatte. Und das ist so schade!

Bild: privat
Julia Seeliger

ist Autorin der taz.

Schade, dass SPD und Grüne sich nicht durchringen können zu der Aussage, dass Occupy in der Tat "unsäglich albern" ist. Dass es in der Tat problematisch wäre, Stichwort Stuttgart 21, wenn sich eine Protestkultur etablierte, "die aufflammt, wenn es um den eigenen Vorgarten geht". Und dass Demos gegen Hartz IV als "Montagsdemonstrationen" bezeichnet wurden, ist sehr wohl "geschichtsvergessen". Was denn sonst?

Da scheinen die Politiker von SPD und Bündnis 90/Die Grünen blockiert. Kaninchen, Schlange, Sie wissen schon. Bei Kritik macht man einfach mal dicht und streitet alles ab, egal, wie das Argument lautet. Und über Extremismus, Deutschland und Geschichte soll man gar nicht reden. Das sei "Schweinejournalismus", sagt Jürgen Trittin.

Dann muss man ja auch nicht weiter fragen. Nach der Wahl kann man da sicher nochmal drüber reden, aber jetzt ist erstmal Schicht im Schacht.

Ouessant-Schaf oder Berghainbesuch

Einige meiner Freunde werden am 18. März verreisen. Ich denke auch: Das wäre eine gute Gelegenheit, um mal wegzufahren. Jetzt wäre vielleicht mal der Zeitpunkt, das Ouessant-Schaf zu besuchen, das ich in meiner wohl wirrsten Kolumne erwähnte. Bis man auf der Insel Ouessant vor der Bretagne angekommen ist, ist aber wohl schon Ostern. Selbst Usedom oder Rügen sind zu weit weg.

Bleibt nur ein Techno-Club in Berlin. Am Sonntag, den 18. März, um sechs aufstehen, Smartphone aus – Sekt und Spaß an. Bundesversammlung wegfeiern. "Bis 18 Uhr aus dem Berghain raus" (Trittin zur Bundestagswahl 2009) muss man ja auch nicht, "um noch zu wählen". Der Sieger steht ja eh schon fest. Schlimm ist das irgendwie auch nicht.

Übrigens: In der Jungle World gab es mal eine Überschrift "Niemand muss Deutschland lieben". Hab ich mir ausgeschnitten und in meinem Zimmer aufgehängt. Denn mit diesem Satz ist alles zum Thema gesagt. Falls doch noch wer drüber reden will.

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7 Kommentare

 / 
  • M
    Mailbox

    Jezt wollte ich mir mal alle Kolumnen auf taz.de von meinem Liebling Julia raussuchen, musste aber feststellen, dass das offenbar gar nicht möglich ist :-(

     

    Oben gibt es nur einen Reiter für Debatte->Kolumnen und dann ist schon Ende. Nach "Alles Bio?" oder "Julia Seeliger" ist keine Sortierung mehr möglich!

     

    Das ist besonders ärgerlich, weil die Suchfunktion auf taz.de wenig hilfreich bis unnütz ist: Wenn man über die Standardsuche nach dem Namen sucht, kommen wieder dutzende Artikel, die nicht von Julia als Autorin sind, sondern nur irgendwo auf der Seite den Namen erwähnt haben. Und die Suche nach "Alles Bio" ist noch sinnloser, da die beiden Worte in jedem dritten Artikel vorkommen.

     

    Menno taz-Redaktion, was ist das für ein mieses System?! Wenn schon keine Unterkategorie über die Reiter mehr möglich ist, dann macht doch eine Kategorisierung über Themenseiten wie bei Spiegel.de oder einfach über Tags, wie sie jeder Blog hat.

  • S
    Steffi

    Nun, ich halte die Occupy-Bewegung auch für unsäglich albern, aber aus gänzlich andern Gründen als Gauck.

    Gauck hält nicht nur diese Bewegung für unsäglich albern, er hält jede Kritik am Kapitalismus für unsäglich albern und deswegen (sehr unter anderem) auch die Occupy-Bewegenung.

     

    Die Occupy-Bewegung ist deswegen unsäglich albern, weil sie es trotz inzwischen fast jahrelangem Bestehen nicht geschafft hat, zwei oder drei klare Forderungen kernig zu formulieren.

     

    Da würde eine einzige gut organisierte Kampagne für die Tobinsteuer den Bankern ja schon 1000mal mehr Angst einjagen als dieser Haufen Spinner.

     

    Leute die, wann immer man ihnen ein Mikro vor die Nase hält mit der Frage, was GENAU sie denn erreichen wollten nicht mehr artikuliert bekommen als

    "Na, unsere Bewegung ist total heterogen und das ist ja auch sowas von unsere Stärke, aber es ist auf jeden Fall total wichtig, dass wir alle hier sind...."

    solche Leute braucht man nicht ernst zu nehmen.

    Solche Leute darf man als unsäglich albern bezeichnen.

  • 3G
    372 (Profil gelöscht)

    Herr Preissler

     

    regen Sie sich mal nicht so auf. Und entschuldigen Sie sich für ihre Behauptung, ich würde "lügen". Ich meinte nicht nur Trittin.

     

    Über Occupy und was dann noch so opportun ist, wird geredet, das andere sind Nischenthemen, die nicht interessieren.

     

    Zu Stuttgart 21 habe ich alles gesagt. Das selbe habe ich übrigens zu früheren Gelegenheiten schon gesagt, zB bei der Heinrich-Böll-Stiftung zu "Grüne Ü30".

     

    An Occupy stört mich die Unstrukturiertheit, ja insgesamt die etwas naive Herangehensweise bei ihrer Kapitalismuskritik.

     

    Schönen Tag

    Julia Seeliger

  • DP
    Daniel Preissler

    @Vic und Seeliger und Trittin

    Die Realo-Rolle stand Trittin (bei der Verteidigung der sofortigen Unterstützung Gaucks durch die Grünen gegen Pohl) übrigens wirklich nicht gut. Vielleicht doch besser wieder für Positionen und Personen streiten, an die man auch selber glaubt! d;-)

  • DP
    Daniel Preissler

    Sie können die Occupy-Bewegung für albern halten (warum genau?). Von S21 haben Sie anscheinend nicht sonderlich viel Ahnung (das geht vielen aus dem Norden so). Hoffen wir, dass dort niemand wegen locker gehandhabten (an sich ungesetzlichen) Sicherheitsvorschriften (oder was davon geblieben ist) zu schaden kommt! Der Begriff "Montagsdemonstrationen für die Anti-Hartz4-Proteste ist keinsfalls "geschichtsvergessen", wie sie meinen. Es ist eine ganz bewusste Anspielung auf die Demos vor der Wende in der DDR und soll (so vermute ich) daraufhinweisen, dass ab einer gewissen Grenze die gesellschaftliche Teilhabe von Hartz4-Empfängern nicht mehr gewähleistet ist. Die Initiatoren begreifen das als einen Mangel an Freiheit, worauf sie mit der Verwendung des betreffenden Terminus aufmerksam machen wollten. Ob das jetzt legitim oder anmaßend oder gar unanständig ist, darüber lässt sich streiten - geschichtsvergessen ist es nicht.

     

    "Und über Extremismus, Deutschland und Geschichte soll man gar nicht reden. Das sei "Schweinejournalismus", sagt Jürgen Trittin."

     

    Das ist gelogen, Frau Seeliger! Sie wissen, dass Trittin sich auf den verbogenen und verbiegenden Artikel von Deniz Yücel bezogen hatte. Trittin hat sich keinesfalls einer Diskussion "über Extremismus, Deutschland und Geschichte" verweigert. Was Sie hier tun ist unlauter!

     

    Ach ja: Der Satz aus der Jungle World ("Niemald muss Deutschland lieben") ist natürlich richtig. So wie Sie ihn benutzen (in ihr Zimmer hängen und das hier erwähnen) und womöglich auch wie die Jungle World ihn benutzt, ist (mit D. Yücel gesprochen) "dirty talk" - you know what I mean?

     

    Nennen wir's "sekundäre antideutsche Propaganda", was Sie hier bieten. Dürfen Sie natürlich! Aber behaupten Sie nie wieder, jemand der das "Schweinejournalismus" (autsch, unglücklicher Ausdruck) nennt, wolle nicht über Geschichte reden.

     

    Grüße, DP

  • SH
    Suse Hinz

    Träumen von einem besseren Kandidaten ist schön, man sollte aber auch mal die Fakten sehen: Schwarz-Gelb hat nunmal leider eine Mehrheit, also wie realistisch wäre es, wenn z.B. die Grünen einen Kandidaten vorschlagen, der komplett auf "grüner Linie" liegt oder gar einen Kandidaten, der von seiner politischen Ausrichtung als "astreiner Linker" gilt? .... Genau, die Chancen für so einen Kandidaten wäre gleich NULL, wahrscheinlich würde bei komplett grünen Positionen auch die SPD diesem nicht mehr zustimmen und einen eigenen aufstellen und die Opposition sich gegenseitig ein Bein stellen.

     

    Das Ergebnis dieses idealistischen (aber realitätsfremden) Vorschlags wäre, dass die Opposition einen hoffnungslosen Kandidaten verfeuern und Schwarz-Gelb sich über eine einfachen Durchmarsch freuen kann.

     

    Ist das wirklich besser, wenn? Nein, ganz im Gegenteil, wenn Rot-Grün nicht diesen halbwegs akzeptablen Kandidaten Schwarz-Gelb als "Köder" angeboten hätte, hätte Rot-Grün mit ihren idealistischen Kandidaten verloren und hätte Schwarz-Geld ihren eigenen, sicher noch konservativeren Kandidaten problemlos durchdrücken können (Ja, es gibt sicher genügend Kandidaten von Schwarz-Geld, die noch viel neoliberaler und reaktionärer gewesen wären).

     

    Gauck hat natürlich viele Fehler und absurde Positionen, die weder zu Rot, noch zu Grün passen, ABER er ist wahrscheinlich der strategisch sinnvollste Kandidat um Schwarz-Gelb und vor allem die Kanzlerin eine Ohrfeige und persönliche Niederlage zu verpassen - und auch um möglicherweise schlimmere Kandidaten zu verhindern.

     

    Ich halte die Entscheidung von Rot-Grün als strategisch sehr klug und einzig realistische Lösung. Klar ist das kein Idealbesetzung, aber es ist wie im Leben: Es gibt auch keine perfekte Frau oder einen perfekten Mann, aber ist das ein Grund, sein Leben lang allein zu bleiben?

  • V
    vic

    Schweinejournalismus- Trittin und Gabriel machen sich schon mal frisch für Merkel. Für einen kompatiblen Bundespräsidenten haben sie ja bereits gesorgt.

    So steht der bunten Mischung 2013 nichts im Weg.

    ...außer meiner Gegenstimme...