Kolumne Afrika Afrika: Weah spielt nicht mehr
Das Relda-Kino in Monrovia ist vernarbt von Granateinschlägen. Derzeit wird hier Fußball gezeigt und vor allem, wenn ein afrikanisches Team spielt, ist der Saal gerammelt voll.
D ie Fassade des Relda-Kinos im Zentrum von Monrovia ist seit dem liberianischen Bürgerkrieg vernarbt von Schüssen und Granateneinschlägen. An der Tafel hängen die Buchstaben A, P und R herunter, vermutlich schon seit Jahren. Doch was hier derzeit gezeigt wird, weiß ohnehin jeder: Fußball.
Wer dem bulligen Mann am Eingang, wo der Dieselgenerator dröhnt, 50 Liberty-Dollars (weniger als 1 US-Dollar) zahlt, erwirbt das Recht, auf einem der ausgeweideten Kinosessel im gespenstisch nackten Saal Platz zu nehmen und von dort das fahle Bild anzusehen, das ein Projektor auf die einzige halbwegs weiße Wand an der Front wirft. Weil der tropische Regen auf das notdürftig mit Pappkartons und Wellblech geflickte Dach trommelt, bleibt vom Ton nichts übrig - nicht einmal die Vuvuzelas.
Vor allem, wenn ein afrikanisches Team spielt, ist der Saal trotz der zweifelhaften Qualität gerammelt voll. "Eins unserer Teams muss doch durchkommen", sagt Lewis, der wie die meisten anderen zum Spiel kein Popcorn, sondern Fisch mit Reis knabbert. Im Kino riecht es wie am Hafen, wo die Fischer morgens ihre Fänge verkaufen. Frauen mit Körben auf dem Kopf, die sicheren Trittes den dunklen Gang entlanglaufen, sorgen ständig für Nachschub. Die Stimmung ist gut, solange die Afrikaner vorne liegen. Schießt hingegen ein Gegner ein Tor, leeren sich ganze Reihen innerhalb von Sekunden. Liberianer johlen und schimpfen nicht, ihrem Unmut verleihen sie schweigend Ausdruck.
Marc Engelhardt ist Korrespondent der taz und derzeit in Liberia.
Sieben Jahre nach der Flucht des früheren Rebellenführers und späteren Präsidenten Charles Taylor, dessen Aufstand 1990 die von ehemaligen Sklaven gegründete Republik Liberia in einen verheerenden, insgesamt 13 Jahre währenden Konflikt stürzte, sind die Spuren des Bürgerkrieges noch überall zu sehen. Zwischen neugebauten Villen und vereinzelten Geschäftshochhäusern stehen ausgebrannte Ruinen, um die sich niemand kümmert. Zu den wenigen renovierten Gebäuden gehört das alte Fußballstadion mitten im Zentrum der Hauptstadt Monrovia, das die Zentrale des liberianischen Fußballbundes beherbergt.
Der Mann, der hier das Sagen hat, hat sich von der WM-Begeisterung im Land nicht ganz anstecken lassen. "Fußball in Liberia ist tot", glaubt Mussa Hassan Bility, der Präsident. Er sehnt sich fünfzehn Jahre zurück nach der Zeit, als der Liberianer George Weah als erster Afrikaner zum "Weltfußballer des Jahres" gewählt wurde. 2002 spielte Liberia unter Weahs Führung zuletzt im Afrika-Cup, seitdem ging es für den Profifußball des Landes steil bergab. "Wir brauchen Hilfe", sagt Bility.
Zumindest an motivierten Spielern fehlt es nicht. Ob im Dauerregen oder in der schwülen Mittagssonne, zwischen Ruinen oder auf mit Macheten freigehackten Dschungelplätzen, überall kicken Jugendliche. Ihr Held heißt bis heute George Weah. Weah, der in den USA studiert, kommt alle paar Monate zu Hause vorbei und lässt sich bejubeln. Vor fünf Jahren scheiterte er nur knapp mit dem Versuch, sich zum Präsidenten wählen zu lassen: Er verlor in der Stichwahl gegen Ellen Johnson-Sirleaf. Es gilt als wahrscheinlich, dass er im kommenden Jahr gegen sie erneut antritt. Zeit, sich um den liberianischen Fußball zu kümmern, hat er nicht.
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