Kolumne Älter werden: Sofortrente für Seine Heiligkeit

Und ab mit IHM in die (offene) Psychiatrie, wo es heißt: "Ich bin der Papst!" - "Ich auch!"

"Ei, ei wie christlich sich der Papst vor Lachen biegt, wenn er den Fundis sagt, das hab ich hingekriegt." Sicher. Der Originalversion des satirischen Papstliedes von Walther von der Vogelweide aus dem 13. Jahrhundert entspricht diese Textzeile nicht so ganz genau. "Ahi wie kristenliche nu der Babest lachet, swenne er sinen Walchen seit, ich hanz also gemachet", heißt es dort tatsächlich. Der bekennende "Allaman" und politische Lyriker von der Vogelweide, der ein Lehensmann des mit Juden und Sarazenen gleichermaßen vorurteilsfrei Umgang pflegenden, von Papst Innozenz IV. exkommunizierten und in Apulien residierenden deutschen Kaisers Friedrich II. war, kritisiert darin den Versuch des Pontifex maximus, das Heilige Römische Reich Deutscher Nation durch die Unterstützung von gleich zwei Gegenkönigen zu spalten: "Ich han zwen Allaman under eine Krone bracht, daz siz riche sulen stoeren unde wasten" - "Was schon verrucht wär, wo es einer denkt", dichtete dann 750 Jahre später Franz Josef Degenhardt in seinem Papstlied passend dazu.

Von Spaltung versteht auch der aktuelle "Babest", der Hitlerbub aus Bayern, was. Und wäre ich Katholik, würde ich bei diesem Gnom in Rom umgehend meine Exkommunikation beantragen; nach der bizarren Aufhebung der gegen den britischen Bischof und Holocaustleugner Richard Williamson und drei weitere Mitglieder der rechtsextremistischen katholischen Priesterbruderschaft Pius X. ausgesprochenen Exkommunikation durch unseren jetzt offenbar völlig durchgeknallten Benedikt XVI. - den Deutschen.

"Kein einziger Mensch ist während des Dritten Reichs vergast worden", hatte Williamson schon öfter behauptet; und dass es für diese die Opfer der Vernichtungsmaschinerie der Nazis verhöhnende These "Beweismaterial" gebe. Das genau predigte auch der bekennenden Revisionist und Hitlerverehrer Ernst Zündel. Das Landgericht in Mannheim verurteilte den passionierten Hetzer wegen der Leugnung des Massenmordes an den Juden und anderer Verbrechen zu fünf Jahren Gefängnis. Der deutsche Papst dagegen rehabilitiert ohne Not dessen Bruder im braunen Ungeist angeblich im Auftrag des Herrn - es soll dabei um die Wiederherstellung der Einheit der katholischen Kirche gegangen sein. Was für eine Anmaßung! Wenn DAS "gottgefällig" war, dann bitte ich schon jetzt inständig um einen Platz in der netten Hölle des geschätzten Kollegen Tom.

Die ganze unanständige Geschichte ist allerdings auch ein Paradebeispiel dafür, wie schnell sich überbordender Nationalstolz - "Wir sind Papst!" - in sein Gegenteil verkehren kann. Jetzt plötzlich schämen sich auch viele Katholiken, selbst Kardinäle, für IHREN Papst. Zu spät. Der kleine alte Mann (100 plus ganz rechts) mit den schwarzen Augenhöhlen und den ängstlichen Blicken daraus ist schließlich auf Lebenszeit gewählt. Denn Gott selbst hat ihn ja berufen; das glauben viele Katholische tatsächlich - immer noch. Das Mittelalter des Dichters und (Minne-)Sängers von der Vogelweide lebt noch.

Wir, liebe Altersgenossinnen und -genossen der Generation 50 plus links, müssen mit 65 plus in Rente gehen; und viele wollen und sollen das ja auch tun. Der Papst dagegen darf als wandelnder Anachronismus weiter bis an sein Lebensende katholische Rechtsextremisten rehabilitieren, Exorzisten berufen, im Kopf wirre Leih- und Weihbischöfe mit ausgeprägter Homophobie oder Apokalypsefantasien ernennen und damit - nicht zuletzt - dem Ansehen dieses Landes schweren Schaden zufügen. Deshalb: Sofortrente für Seine Heiligkeit. Und ab mit IHM in die (offene) Psychiatrie: "Guten Tag, ich bin der Papst!" - "Und ich der Kaiser von China!" Was schon verrucht wär, wo es einer denkt.

Rein: "Handbuch der deutschen Geschichte" (Gebhard), "Band 4, Investiturstreit und frühe Stauferzeit". Friedrich von der Leyen (Hrg.): "Deutsches Mittelalter; Lyrik und Prosa".

Raus: Die "Bibel" (Volksausgabe) plus "Mao-Bibel", der Koran (Schweinsleder grün mit Goldintarsien).

K.-P. KLINGELSCHMITT

ÄLTER WERDENFragen zum Babest? kolumne@taz.de Morgen: Natalie Tenberg treibt KONVERSATION

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