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Kolumne Älter werdenThe angry old man

Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt. Spontiparolen gelten auch jetzt noch.

A bsolut kein Verständnis und keine (pädagogische) Geduld mehr aufbringen kann ich etwa für die rasenden kleinen Arschlöcher, die sich in ihren - analog zu ihren Gehirnen - tiefer gelegten Gebrauchtwagen oder auf Motorrollern mit durchbohrten Auspuffanlagen in unserer eigentlich verkehrsberuhigten Straße tief in der Nacht Rennen liefern - bejohlt und beklatscht von einer Horde besoffener kleiner Mädchen im Pornolook, die nichts anders als Partymachen im ansonsten garantiert leeren Kopf haben. Und die kleinen Partyjungs mit ihren Kapuzenpullis - immer mit Kapuze auf - von schräg gegenüber werfen dazu um drei Uhr in der Früh und Ende August Silvesterkracher aus dem geöffneten Fenster der dritten Etage, aus dem schon seit Stunden fette dumme Beats wie Donnerschläge durch das ganze Viertel dröhnen. Das nächste Mal hol ich die Polizei. Ehrlich! Und wenn die nicht kommt, töte ich ihren fetten schwarzen blöden Hund - vielleicht. Mit Nachsicht (von mir) dürfen auch die meist vollfetten Rollerfahrer - früher: Mopedler - nicht mehr rechnen, deren IQ den Anforderungen selbst einer Führerscheinprüfung nicht gewachsen ist und die deshalb mit einem bis zum Anschlag durchgezogenem Gashebel und maximal 15 km/h in der Phonstärke einer von der US Airbase Spangdahlem startenden F 16 unterwegs sind; völlig hirn- und lappenlos.

Und (auch) keine Gnade mehr mit diesen komplett irren Bikern in Lederkluft, die ihre Maschinen mitten in der Nacht aufheulen lassen wie wilde Tiere, um dann - gib Gummi, Atze - mit 150 Sachen am Blitzer vorbeizuheizen, weil sie ja vorn an den Motorrädern keine Nummernschilder haben. Warum eigentlich nicht? Bald kommt es noch so weit, dass ich für jeden zerstochenen Roller- oder Motorradreifen im Großraum Rüsselsheim eine Prämie von 5 Euro zahle. Wer macht mit? Schließlich sterben in der EU jedes Jahr rund eine halbe Million Menschen an den Folgen des Verkehrslärms; und ich möchte nicht eines unschönen Tages in dieser Statistik Berücksichtigung finden. Wir älter werdenden Menschen brauchen eben unseren (Schönheits-)Schlaf.

Und deshalb unterschreiben wir auch die Listen der Flughafenausbaugegner überall für ein Nachtflugverbot. Da sind jetzt sogar ausgeschlafene Verwaltungsrichter, die den Bau der Landebahn Nordwest am Airport in Frankfurt zu beurteilen hatten, auf unserer Seite. Das schon im Internet georderte Flugabwehrgeschütz (Flag) - Modell Taliban II mit Sandfilter und Lenkvorrichtung -, das auf unserem dekorativen, zur Abnahme von Truppenparaden durchaus geeigneten Balkon vorn zur Straße raus zum Einsatz kommen sollte, hab ich jedenfalls erst einmal wieder abbestellt. Liefern konnte die kleine Gebrauchtwaffenhandlung in Kabul wegen anhaltenden Eigenbedarfs sowieso nicht sofort.

Klaus-Peter Klingelschmitt ist Korrespondent der taz in Frankfurt. Das Bild zeigt ihn als Gitarrist der Rockgruppe Dreadful Desire im Jahre 1969.

Mein friedfertiges Motto in meinen Mails - Please dont let me be missunderstood/Animals) - hab ich jetzt natürlich auch wieder geändert. Der alte Epilog kommt dort zu neuen Ehren: Ein anständiger Mensch macht keinen Schritt, ohne Feinde zu kriegen (Hermann Hesse). Lassen Sie sich also von Niemandem NICHTS gefallen, liebe Freundinnen und Freunde der Altersklasse 50 plus. Denken Sie immer an die alte Spontiparole aus ihrer schönen Jugendzeit, als wir den ganzen Lärm der Welt noch selbst veranstaltet haben: Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt! Der schönste Spruch aber stand über Jahre hinweg im Soziologenturm der Frankfurter Uni: Zart im Bett - und hart gegen die Bullen!

Rein: Ohropax (Großpackung), DocMorris. CD Messias (Händel), Berliner Philharmoniker, und ein drahtloser Kopfhörer

Raus: Nix

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