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Kolumbiens Ex-Präsident verurteiltZwölf Jahre Hausarrest für Uribe

In Kolumbien wurde Ex-Präsident Uribe schuldig gesprochen. Opfergruppen hoffen, dass die Justiz nun seine Verbindungen zum Paramilitär weiter aufarbeitet.

Alvaro Uribe muss nicht ins Gefängnis, sondern in den Hausarrest. Mit dem Urteil sind nicht alle einverstanden Foto: Luisa Gonzalez/reuters

Bogotá taz | Zwölf Jahre Hausarrest, ab sofort: So lautet das Strafmaß gegen Kolumbiens Ex-Präsidenten Álvaro Uribe. Das Gericht verhängte am Freitag zudem eine Geldstrafe von rund 722.000 Euro und ein mehrjähriges Verbot, öffentliche Ämter auszuüben. Uribe war wegen mehrfacher Zeugenbestechung und Verfahrensbetrugs schuldig gesprochen worden.

Das Strafmaß übertrifft damit die Forderungen der Staatsanwälte. Die Bekanntheit und Sichtbarkeit des ehemaligen Präsidenten machten das erforderlich, „um das friedliche und harmonische Zusammenleben der Bürger zu gewährleisten“, so Richterin Sandra Heredia. Außerdem bestehe die Gefahr, dass Uribe sich ins Ausland absetze. Den Hausarrest wird Uribe auf seiner Finca in Rionegro im Nordwesten Kolumbiens verbringen, einem luxuriösen Anwesen mit Gartenanlagen, Stallungen und einem künstlichen See.

Der 73-Jährige ist nun der erste verurteilte Ex-Präsident der modernen kolumbianischen Geschichte. „Sie haben mich auf schlimmste Weise behandelt“, sagte Uribe und kündigte an, in Berufung zu gehen. Das Urteil ist deshalb nicht rechtskräftig, bis Mitte Oktober muss die Entscheidung in der zweiten Instanz erfolgen. Sonst droht das Verfahren zu verjähren.

Uribe ist seit Jahrzehnten einer der mächtigsten Männer Kolumbiens. Von 2002 bis 2010 war er Präsident und später Königsmacher für zwei seiner Nachfolger. Als Präsident war er zwar beliebt, während seiner Amtszeit gab es aber massive Menschenrechtsverletzungen. Unter anderem wurden mindestens 6.402 Zi­vi­lis­t:in­nen als feindliche Guerilleros ausgegeben und von der Armee ermordet. Diese als falsos positivos bekannt gewordenen Fälle wurden als vermeintliche Erfolge der Sicherheitspolitik gefeiert.

Uribe-Gegner:innen feiern das Urteil

2012 hatte Senator und Menschenrechtsverteidiger Iván Cepeda Uribe im Parlament wegen seiner Verbindungen zu Paramilitärs angeklagt. Ein Kronzeuge war damals Juan Guillermo Monsalve, Ex-Paramilitär und Sohn des Gutsverwalters eines Anwesens von Uribes Vater. Er sagte aus, Uribe und sein Bruder hätten dort eine paramilitärische Gruppe gegründet und finanziert. Der sogenannte Bloque Metro verübte zahlreiche Menschenrechtsverletzungen.

Verurteilt wurde Uribe nun nicht deswegen, sondern wegen verhältnismäßig geringer Vergehen: Uribe hatte Cepeda wegen Zeugenmanipulation verklagt. Doch das Oberste Gericht stellte das Verfahren ein – und begann gegen den Ex-Präsidenten selbst zu ermitteln. Uribe habe über seine Anwälte versucht, Zeugen zu beeinflussen.

Richterin Heredia sah dies als erwiesen an. Die Gegenargumente von Uribes Verteidigung zerlegte sie minutiös, auf über 1.000 Seiten, in zehn Stunden. Sie betonte zudem die Unabhängigkeit der Justiz – und machte mit ihrem Urteil klar, dass sie Monsalve für einen glaubwürdigen Zeugen hält.

Die Anhörungen waren monatelang live zu sehen, am Tag der Urteilsverkündung sogar auf Leinwänden in der Hauptstadt Bogotá. Uribe-Gegner:innen feierten das Urteil bis spät in die Nacht wie einen Sieg der Nationalmannschaft. Opfergruppen, darunter Angehörige der falsos positivos, dankten Cepeda für seinen Einsatz. Sie hoffen, dass die Justiz nun Uribes Verstrickungen mit den Paramilitärs aufarbeitet.

Uribes Partei Centro Democrático ruft für den 7. August zu Protesten im ganzen Land auf. Uribe sei ein Opfer der Justizund politisch Verfolgter – mit dieser Erzählung versucht die Partei Stimmung für die Präsidentschaftswahl 2026 zu machen. Unterstützung kam auch von Re­pu­bli­ka­ne­r:in­nen aus den USA, allen voran Außenminister Marco Rubio: Das Urteil zeige „die Instrumentalisierung der kolumbianischen Justiz durch radikale Richter“, sagte er.

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