Kolumbien: Chávez auf Friedensmission
Venezuelas Sozialist soll Bewegung in die festgefahrenen Beziehungen zu den Guerillagruppen Farc und ELN bringen. Priorität hat der "humanitäre Austausch"- Farc-Geiseln gegen inhaftierte Rebellen.
Dass Álvaro Uribe und Hugo Chávez gut miteinander können, war schon öfter zu beobachten. Aber wie der US-freundliche Hardliner aus Kolumbien und Venezuelas "Sozialist des 21. Jahrhunderts" am Freitag im historischen Landsitz Hato Grande nördlich von Bogotá ihre Männerfreundschaft inszenierten, hatte eine neue Qualität.
Zwar ging es auf dem achten Zweiergipfel der ideologischen Antipoden auch um den Bau von Gaspipelines, Handelsabkommen und Venezuelas Wiedereintritt in das Wirtschaftsbündnis Andengemeinschaft. Doch Thema Nummer eins war die neue Rolle für Chávez im kolumbianischen Bürgerkrieg. Mit dem Segen Uribes soll er nun die Aufständischen der "Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens" (Farc) und des "Heers zur nationalen Befreiung" (ELN) zu Zugeständnissen bewegen.
Erste Hürde dabei ist ein "humanitärer Austausch", auf den sich die Kriegsparteien seit fünf Jahren nicht einigen können. Die Farc wären bereit, 44 Uniformierte und Politiker sowie drei US-Söldner gegen rund 500 inhaftierte Rebellen auszutauschen. Jedoch scheitern Gespräche an der Farc-Forderung, Uribe solle dafür ein 760 Quadratkilometer großes Gebiet militärisch räumen lassen. Zudem verlangt der Präsident, die zu entlassenden Guerilleros müssten sich auf Gewaltlosigkeit verpflichten. Zu einem neuen Anlauf habe er seinem Kollegen jetzt "Werkzeug" mitgegeben, sagte Uribe auf der Pressekonferenz. Chávez verriet, er habe kurz vor seinem Abflug nach Kolumbien eine Botschaft der Rebellen erhalten, in der sie sich zu einem Treffen in Caracas bereit erklären. Zudem hatte er 41 kolumbianische Paramilitärs amnestiert, die 2004 offenbar an einer Verschwörung gegen ihn beteiligt waren. Dass Uribe auf Chávez setzt, hat mehrere Gründe: Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy möchte seit seinem Amtsantritt eine Freilassung der seit 2002 verschleppten Exsenatorin Ingrid Betancourt erreichen, die auch die französische Staatsangehörigkeit besitzt. Auf Drängen Sarkozys hatte Uribe vor drei Monaten den Farc-"Außenminister" Rodrigo Granda freigelassen. Wenig später kamen elf entführte Abgeordnete unter ungeklärten Umständen ums Leben.
Mit dem Friedensmarsch des Lehrers Gustavo Moncayo, dessen Sohn seit fast zehn Jahren in der Gewalt der Farc ist, wuchs der innenpolitische Druck auf Uribe. Schließlich bat die linke Senatorin und Uribe-Kritikerin Piedad Córdoba den venezolanischen Präsidenten öffentlich um Vermittlung im Geiseldrama, worauf sie von Uribe grünes Licht für weitere diplomatische Bemühungen bekam. Die Angehörigen der Geiseln zeigten sich vorsichtig optimistisch. Bruno Moro, der italienische UN-Beauftragte für humanitäre Fragen, hofft auf eine Annäherung der Kriegsparteien, die in einen "politischen Dialog" münden könnte.
Auch in die Gespräche mit der ELN, die in Havanna seit Jahren ohne greifbares Ergebnis vor sich her dümpeln, soll Chávez neuen Wind bringen. Bisher lehnen die Vertreter der zweitgrößten Rebellengruppe in Kolumbien Uribes Forderung nach einem Waffenstillstand ab, die er zur Bedingung für echte Verhandlungen macht. Für Fortschritte bei Friedensgesprächen sei "Transparenz" erforderlich, meinte Chávez. In Caracas wolle er herausfinden, wie weit der "wirkliche Wille" der Rebellen zu möglichen Lösungen für den Bürgerkrieg gehe. "Hoffentlich kommt Marulanda", sagte er über den legendenumwobenen Farc-Chef Manuel Marulanda. "Ich würde ihn gern kennen lernen und mich mit ihm unterhalten. Aber das hängt von ihm ab." Denkbar scheint nun sogar, dass die Farc ein Büro in Caracas eröffnen.
"Zugeständnisse müssen beide Seiten machen", sagte Chávez: Zum einen die Guerilleros, in deren Erklärungen Uribe kaum mehr ist als eine Marionette des US-Imperialismus. Das gilt auch für die kolumbianische Regierung. Parallel zur diplomatischen Öffnung hatte Uribe seinen Adlatus und Agrarminister Andrés Felipe Arias beauftragt, eine vehemente Kampagne gegen die mögliche Entmilitarisierung eines Gebiets für den "humanitären Austausch" anzuführen.
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