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Kolumbien

Anders als in Bolivien und Peru mit ihrem starken indianischen Bevölkerungsanteil gibt es im ethnisch kräftig durchmischten Kolumbien praktisch keine Tradition des Koka-Kauens. Der Anbau der heiligen Pflanze der Inkas geht nicht weiter zurück als ins vergangene Jahrzehnt und hat keinen anderen Zweck als die Gewinnung von Kokain. Trotzdem wurde während der vergangenen Regierungen relativ wenig gegen die illegalen Kulturen unternommen. Urwaldgebiete wie der Guaviaré im Süden des Landes wurden nach und nach von Siedlern abgeholzt und in verbotene Plantagen verwandelt.

Jahrelang hatten sie keine Repressalien zu befürchten, denn auch die Guerilla nistete sich ein, kassierte Steuern von den Kokahändlern und sorgte dafür, daß die Pflanzungen unbehelligt blieben.

Erst als die Regierung Samper im Dezember 1994 unter dem Druck der USA ein radikales Ausrottungsprogramm in Gang setzte, war es mit dem Frieden vorbei. Samper steckte sich das Ziel, während seiner vierjährigen Amtszeit die gesamte Koka- und Opiumproduktion mit radikalen Sprühaktionen auszuradieren. Denn im Unterschied zu Bolivien, wo nur kleinste Parzellen bebaut werden, wurde im Guaviaré großflächig ausgesät. An manuelle Entwurzelung war schon aus diesem Grund nicht zu denken. Die US-Antidrogenbehörde DEA verordnete ein Entlaubungsmittel namens Glyphosat, das aus dem Flugzeug abgelassen wird. Gleich zu Beginn organisierten die Bauern vehemente Prostestaktionen, und die Guerilla schoß das erste Sprühflugzeug ab. Seither ist der Guaviaré militarisiert.

Letztes Jahr wurde zwar mit der Vernichtung von rund 25.000 Hektar Koka das Plansoll erfüllt, doch an die großen Plantagen rund um Miraflores, die Hauptstadt von Guaviaré, wagte sich die Armee wegen der starken Guerillapräsenz nicht heran. Deswegen konzentrierte sie ihren Giftfeldzug auf die kleineren Pflanzungen, wo viele Siedler oder die Leute, die die Felder bewachen, auch ihre Grundnahrungsmittel anbauen. In der Gemeinde El Retorno klagten Bauern nach den Spritzaktionen vom Februar 1995 über die Vernichtung von Yucca, Bananenstauden, Zuckerrohr und Maisfeldern. Selbst über den Hütten am Rande der Plantagen soll das Pflanzengift abgelassen worden sein. Die Kokabauern in der südlichen Provinz Putumayo, deren Felder als nächstes vernichtet werden sollen, planen seit Monaten eine große Protestaktion.

Die Entscheidung der USA über die „Certification“ wird in Kolumbien auch deswegen mit besonderer Spannung erwartet, weil die US-Regierung dafür bislang den Rücktritt des Präsidenten Samper zur Bedingung gemacht hatte. Samper war innenpolitisch unter heftigen Druck geraten, nachdem bekanntgeworden war, daß sein Wahlkampf 1994 mit Geldern der Drogenmafia finanziert worden war. Sampers ehemaliger Wahlkampfmanager und Verteidigungsminister Fernando Botero hatte Samper mit der Aussage belastet, der Präsident habe selbst von den Spenden gewußt. rld

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