Kolumbien im Clinch mit Nachbarn: Chávez warnt vor "Krieg in Südamerika"
Angriff auf Farc-Guerillalager in Ecuador könnte Kolumbiens Bürgerkrieg regional ausweiten. Kolumbien beschuldigt Ecuador der Kooperation mit Guerilla.
BOGOTA taz Der Triumph von Kolumbiens Establishment währte nur kurz. Statt zum Sieg über die Guerilla könnte Kolumbiens Angriff auf ein Farc-Lager auf ecuadorianischem Territorium zu einer Ausweitung des Krieges führen.
"Ein Schlag ins Herz der Farc", hatte die regierungsnahe Tageszeitung El Tiempo am Sonntag noch gejubelt. "Das ist der Anfang vom Ende der Farc", meinte Sicherheitsexperte Alfredo Rangel. Politiker und Unternehmer überhäuften Staatschef Álvaro Uribe mit Glückwünschen. Raúl Reyes, 59, das bekannteste Mitglied der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (Farc), war am Samstag einer minutiös geplanten Attacke der Armee zum Opfer gefallen.
Der Überfall mit Kampffliegern und Hubschraubern droht nun den kolumbianischen Bürgerkrieg auf die Nachbarschaft auszuweiten. Venezuelas linksnationalistischer Staatschef Hugo Chávez ordnete vorgestern die Verlagerung von zehn Panzerbataillonen an die Grenze zu Kolumbien und die Schließung der Botschaft in Bogotá an. Stunden später beschloss Ecuadors linker Präsident Rafael Correa ebenfalls Truppenverlegungen und verwies den kolumbianischen Botschafter des Landes.
Die Tötung des "guten Revolutionärs" Reyes bezeichnete Chávez als "feigen Mord", einen Kampf habe es nicht gegeben. "Ich habe Correa gesagt, du kannst auf Venezuela zählen", berichtete er in seiner sonntäglichen TV-Show "Aló Presidente". Uribe sei "ein Krimineller, ein Mafioso", polterte er weiter, "das kann der Anfang eines Kriegs in Südamerika sein". Falls Uribe "so etwas in Venezuela" anstelle, werde er mit Sukhoi-Kampfflugzeugen antworten: "Wir wollen keinen Krieg, aber wir werden nicht zulassen, dass das Imperium oder sein Schoßhündchen Uribe uns schwächen." Carlos Gaviria von der kolumbianischen Linkspartei Alternativer Demokratischer Pol sagte: "Hoffentlich wird Chávez gelassener und überlegt sich das anders."
Offenbar fühlen sich Chávez und Correa von ihrem kolumbianischen Kollegen hintergangen. Obwohl Uribe dem Venezolaner bereits im November abrupt ein Vermittlungsmandat zu einem möglichen Gefangenenaustausch zwischen 40 Farc-Geiseln und gut 400 inhaftierten Rebellen entzogen hatte, ließen die Farc auf Drängen des sendungsbewussten Sozialisten im Januar und Februar sechs prominente Geiseln ohne Gegenleistung frei. Doch anstatt sich auf Verhandlungen über einen Gefangenenaustausch einzulassen, setzt Uribe weiter auf eine militärische Niederlage der Guerilleros, die er nur "Banditen" oder "Terroristen" nennt. Dabei weiß er nicht nur die logistische Zuarbeit der US-Militärs, sondern auch eine deutliche Mehrheit seiner Landsleute auf seiner Seite.
Empört verkündete Rafael Correa am Sonntagabend, bei dem Angriff seien die kolumbianischen Flugzeuge mindestens zehn Kilometer tief in den Luftraum Ecuadors vorgestoßen, um das drei Kilometer von der Grenze gelegene Rebellencamp von Süden her anzugreifen. Zwanzig Guerilleros, "fast alle im Schlafanzug", seien dabei "massakriert" worden. Uribe habe ihn "und die Welt" bei seinem nachträglichen Anruf angelogen, denn die Soldaten seien gar nicht bei der Verfolgung der Aufständischen auf ecuadorianisches Territorium geraten. Eine halbherzige "Entschuldigung" von Kolumbiens Außenminister Fernando Araújo für die "unverzichtbare" Grenzüberschreitung wollte er nicht gelten lassen.
Im Gegenzug erklärte der kolumbianische Polizeichef Óscar Naranjo, Raúl Reyes habe sich mit dem ecuadorianischen Sicherheitsminister Gustavo Larrea getroffen - dies gehe aus E-Mails hervor, die sich auf drei Computern des getöteten Kommandanten befunden hätten. Larrea habe signalisiert, führende Militärs, die der Guerilla feindlich gesinnt seien, könnten aus dem Grenzgebiet wegversetzt werden. Uribes General forderte Quito auf, zu diesen "gravierenden Informationen" Stellung zu beziehen.
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