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Kohlfahrt ins Gericht

■ Walter T. gegen die „Schweine vom Bundesgrenzschutz“

„Ihr Arschlöcher“, soll Walter T. die Bundesgrenzschützer angeschrien haben, „das ist doch lächerlich, was ihr hier macht!“ Doch das, schwört der 49jährige Drucker, hat er nie getan. „Ihr Schweine“, ja, das hat er gesagt, „das will ich wohl gestehen.“

Am 20.2.94 war der Angeklagte mit seinem Freund von einer Kohlfahrt ziemlich promilliert in den heimischen Bahnhof eingefahren. Nach dem überfälligen Gang zum Klo trafen sie am Ausgang zwei Grenzschutzbeamte in vollem Lametta. „Guck mal die Eierköppe“, raunzte der Freund Walter zu, „was glotzen die denn so blöde.“ Dabei haben die gar nicht blöde geglotzt, gesteht Walter vor Gericht, die Äußerung des Freundes war wohl „grundlos.“ Aber was dann passierte, fand er gemein: „Die reagierten schlagartig“, empört er sich noch ein Jahr später. „Ohne ein weiteres Wort“ drehten die Grenzschützer dem Freund die Arme auf den Rücken und „stolperten im Galopp durch die ganze Bahnhofshalle zur Wache.“

Die ganze Zeit sei er ruhig der Gruppe gefolgt, der sich inzwischen ein weiterer Beamter angeschlossen hatte. In die Wache wollte man ihn nicht einlassen. Stattdessen bezog drinnen ein Beamter vor der Glastür Position, sodaß Walter T. die Sicht versperrt war. Gleichzeitig hörte er von drinnen so „schreckliche Geräusche, daß ich Angst hatte, die tun meinem Freund körperliche Gewalt an.“ Er klopfte immer wieder an die Scheibe, doch der Zutritt wurde ihm verweigert. Dann hat er angefangen zu schreien: „Ihr Schweine“ und „was soll das, das ist doch lächerlich, was ihr hier macht.“ Danach wurde er reingelassen, Die Polizei stellte seine Personalien fest und kündigte ihm eine Beleidigungsklage an. Nach 15 Minuten war der Spuk vorbei, und die Kohlfahrer hatten wieder Freiheit unterm Kiel.

Anders als sein Freund ließ Walter T. wenige Wochen später das Angebot der Staatsanwaltschaft ungenutzt verstreichen. Er wollte nicht 500 Mark zahlen, ohne die Möglichkeit gehabt zu haben, den Vorfall aus seiner Sicht darzustellen. Auf den anschließenden Strafbefehl von 600 Mark reagierte er nur mit einem Wort: „Einspruch!“ Dieses jedoch fristgemäß. „Es liegt mir nicht so, mich schriftlich zu äußern“, erklärt der bescheidene Drucker.

So kam es zum Prozeß, bei dem ein Grenzschutzbeamter den Lauf der Dinge anders darstellt: Walter T.'s Freund habe ihn als „Eierkopp“ beschimpft, aber „ich laß mich nicht im Vorbeigehen beleidigen.“ In aller Ruhe, „das ist meine perönliche Arbeitsweise,“ habe er den Herrn um die Personalien gebeten. Nachdem dieser sich geweigert habe, habe er ihn darüber aufgeklärt, daß man ihn auch unter Einsatz von Gewalt mitnehmen könne. „Das versucht mal“, habe der gekontert. Die „darin enthaltene Drohung“ veranlaßte die Beamten, den Mann im Kreuzfesselgriff zur Wache zu führen, „um dessen aktiven Widerstand vorzubeugen“. Dort habe dann Walter T. dauernd an der der Tür randaliert und „Ihr Arschlöcher“ gebrüllt, ja, später sogar verlautbart, er stehe zu diesem Ausdruck.

Walter T. kann es nicht fassen. Hartnäckig widerspricht er dem Geschädigten sowie dessen Polizeibericht: „Ohne ein Wort haben die meinen Freund abgeführt wie einen Verbrecher“, bleibt er bei seiner anfänglichen Darstellung. „Außerdem habe ich nur –ihr Schweine' gesagt. Das tut mir leid, und wäre mir nüchtern nie passiert.“ Der Richter scheint dem Mann zu glauben. Er spricht von „Überreaktion“ auf seiten der Polizei und stellt das Verfahren wegen geringer Schuld des Angeklagten ein. Ja, da hat Walter T. noch einmal richtig Schwein gehabt. Dora Hartmann

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