Kohlekraftwerke: Immer weniger im Norden rauchen

Der Steinkohlemeiler Brunsbüttel steht vor dem Aus. Investor aus Baden will lieber in seine ökologische Positionierung investieren. Grund sind die Atombeschlüsse der Bundesregierung.

Technologie von gestern: Kohlekraftwerk. Bild: dpa

Da warens nur noch sieben: Das Steinkohlekraftwerk Brunsbüttel steht vor dem Aus. Der Aufsichtsrat des E-Werks Mittelbaden hat beschlossen, aus dem Projekt auszusteigen. Ausschlaggebend für diese Entscheidung, die am Montag bekannt wurde, sei die "substanzielle Änderung der Rahmenbedingungen des Kraftwerksprojekts" durch die Bundesregierung, heißt es in einer Mitteilung des baden-württembergischen Energieversorgers.

Damit dürfte das größte von drei Kraftwerken, die in der schleswig-holsteinischen Kleinstadt an Unterelbe und Nord-Ostsee-Kanal geplant wurden, wohl niemals Rauch ausstoßen. Der Kohlemeiler sollte mit einer Leistung von 1.800 Megawatt (MW) größer werden als das im Bau befindliche Kohlekraftwerk in Hamburg-Moorburg und selbst das nahe gelegene Atomkraftwerk Brokdorf übertreffen. Geplant wurde es vom Stadtwerkekonsortium Südweststrom (SWS), dem auch die Tübinger Stadtwerke des grünen Oberbürgermeisters Boris Palmer angehören. Die Bürgerinitiative "Gesundheit und Klimaschutz Unterelbe/Brunsbüttel" fordert nun die verbleibenden Stadtwerke auf, sich nach dem Vorbild des E-Werks Mittelbaden aus dem Projekt zu verabschieden.

"Diese Entscheidung ist ein Meilenstein in unserer ökologischen Positionierung", erklärte Mittelbaden-Vorstand Helmut Nitschke. "Das vorgesehene Investitionsvolumen kann nun für regenerative Projekte eingesetzt werden." Der Aufsichtsrat des kommunalen Unternehmens begründet den Schritt mit dem neuen Energiekonzept der Bundesregierung: "Aufgrund der Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke haben neue Steinkohlekraftwerke weniger Chancen am Markt." Die Beschlüsse gingen zu Lasten der kommunalen Energieversorger, zudem gebe es weiterhin keine klare Perspektive für die auch in Brunsbüttel vorgesehene Abscheidung und unterirdische Lagerung von Kohlendioxid, die so genannte CCS-Technologie: Dafür habe die Bundesregierung "keine verlässlichen Rahmenbedingungen" geschaffen, stellen die Badener fest. Deshalb setzten sie nun "auf den verstärkten Ausbau der regenerativen Stromerzeugung".

Platzt der SWS-Meiler, wird bereits die Hälfte der ursprünglich in Norddeutschland geplanten Kohlekraftwerke nicht realisiert: Von einstmals 14 Projekten waren zuvor bereits die Pläne für Werke in Emden, Dörpen, Bremen, Kiel und Lubmin aufgegeben worden.

Anfang Februar hat zudem der französische Energiekonzern GDF Suez den Bau eines Kraftwerks in Stade infrage gestellt. Aus ökonomischen Gründen "erscheint es uns nicht sinnvoll, das Projekt weiter zu verfolgen", teilte das Unternehmen mit. Offiziell begründet wurde das Aus für die 800-Megawatt-Anlage neben dem stillgelegten Atomkraftwerk damit, dass wasserrechtliche Auflagen die Wirtschaftlichkeit des Projekts gefährden würden.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) begrüßte seinerzeit den Rückzug. "Nun scheinen auch die großen Energiekonzerne die Realitäten zur Kenntnis zu nehmen und festzustellen, dass die Dreckschleudern nicht mehr zukunftsfähig sind", erklärte Niedersachsens Landesvorsitzender Heiner Baumgarten.

Weiter in Planung sind somit je zwei Werke in Wilhelmshaven, Stade und Brunsbüttel. Im Bau befindet sich einzig das Vattenfall-Werk in Hamburg-Moorburg. Dieses soll, darauf haben sich am Freitag Vattenfall und die Hamburger Umweltbehörde nach zweijährigem Streit vor dem Oberverwaltungsgericht geeinigt, mit einem Hybridkühlturm versehen werden. Der schont die Elbe, kostet den Konzern zusätzliche 200 Millionen Euro und "senkt den schon schlechten Wirkungsgrad des Kraftwerkes noch einmal um drei Prozent", rechnet Alexander Porschke, Chef des Hamburger Naturschutzbundes (Nabu), vor, "Klimapolitisch bleibt Moorburg eine Fehlinvestition."

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