■ Kohl will keine Mineralölsteuererhöhung, braucht sie aber: Der Euro heiligt die Mittel
Als ein Jahrhundertwerk wurde die Steuerreform angekündigt, mittlerweile ist mancher froh, wenn sie den morgigen Tag überlebt. Die Hoffnung auf einen Erfolg der zweiten Runde der zweiten Auflage der Gespräche zwischen SPD und Koalition, die morgen im Kanzleramt stattfindet, nährt sich jedoch allein aus der Gewißheit, daß die beiden Kontrahenten bei einem Scheitern noch schlechter dastehen würden. Allerdings darf vermutet werden, daß sie bereits exakte Berechnungen über die jeweiligen Schuldanteile an diesem Scheitern angestellt haben, um sie umgehend den Wählern zu präsentieren.
Leider sind ihre Aussagen über die zur Verhandlung stehenden Lasten und vor allem zu deren Gegenfinanzierung weit weniger präzise. Bislang steht allenfalls fest, welche Seite welche Steuererhöhung nicht will, so nicht will, für diesen Zweck oder in dieser Höhe nicht will oder, wie Theo Waigel die Mineralölsteuererhöhung, zwar privat, aber eben nicht als Finanzminister will. Weil Waigel sie will, will Edmund Stoiber sie nicht, der Bundeskanzler, so darf sein gestriges Dementi interpretiert werden, will sie so nicht, weil sie die deutschen Autofahrer nicht wollen.
Dabei hat eine jede Partei gute Gründe für eine Erhöhung der Mineralölsteuer. Das Grünen-Anliegen einer ökologischen Steuerreform wäre gewahrt, die von der SPD geforderte Senkung der Lohnnebenkosten würde gegenfinanziert, und der Regierung könnte sie helfen, die Euro-Kriterien zu erfüllen. Denn diese werden nicht eingehalten, wenn es nicht zu drastischen Haushaltsänderungen kommt. Nun gäbe es kaum etwas Unpopuläreres, als eine Steuererhöhung um die Maastricht-Kriterien zu erfüllen, warum also sie nicht in einem Gesamtpaket verstecken. Der Gedanke ist zu verführerisch, als daß die Bundesregierung nicht drauf kommen würde.
Betrachtet man sie unter dem dreifachen Blickwinkel der Konsolidierung, der Euro-Kriterien und der Reformfinanzierung, dürften sich auch die übrigen verteilungspolitischen Streitpunkte von SPD und Koalition auf ein praktikables Maß reduzieren. Weder führte dann ein Weg an einer Mehrwertsteuererhöhung vorbei, noch gäbe es genügend finanziellen Spielraum, um den Spitzensteuersatz erheblich zu senken oder Zuschläge belastungsfrei zu halten. Die Möglichkeiten, sich in einer Großen Koalition gegeneinander zu profilieren, sind halt begrenzt. Dieter Rulff
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