Kölner Schriftsteller Doğan Akhanlı: Im Urlaub festgenommen
In Spanien wurde der Schriftsteller Doğan Akhanlı in Haft genommen. Die Türkei hatte ihn bereits mehrfach wegen angeblicher Terrorunterstützung im Visier.
Der deutsche Schriftsteller Doğan Akhanlı wurde am Samstag Vormittag in der spanischen Stadt Granada festgenommen. Der 60-jährige türkeistämmige Schriftsteller, der mit seiner Lebensgefährtin in Spanien Urlaub macht, muss nun damit rechnen, dort festgehalten zu werden, bis über eine Auslieferung in die Türkei entschieden wird.
Um 8.30 Uhr klopften laut Ilias Uyar, der Anwalt von Akhanli, bewaffnete Polizisten an der Tür seines Hotelzimmers und wollten die Ausweise sehen. Dann sei Akhanli abgeführt worden, weil eine sogenannte Red Notice, ein Dringlichkeitsvermerk von Interpol gegen ihn vorläge. Vor dem Hotel hätten zwei vollbesetzte Polizeiwagen gewartet.
Ilias Uyar hat die deutsche Botschaft in Madrid umgehend über die Festnahme informiert und auch das Auswärtige Amt sei eingeschaltet. „Die jetzigen Festnahme zeigt den Versuch Erdoğans, seine Macht über die Grenzen seines Landes hinaus auszudehnen und weltweit gegen unliebsame und kritische Stimmen vorzugehen.“, so Uyar. „Der Haftbefehl ist eindeutig rechtsmissbräuchlich. Ich fordere die sofortige Freilassung meines Mandanten.“, sagte Uyar der taz.
Uyar hatte bisher keinen Kontakt mit seinem Mandanten und will noch heute nach Spanien reisen. Für Sonntag 9 Uhr ist ein Haftprüfungstermin für Akhanlı angesetzt.
Der 1957 im türkischen Şavşat geborene Akhanlı ist Mitglied in der internationalen Schriftstellervereinigung PEN. In seinen Werken setzt er sich für die Unteilbarkeit der Menschenrechte ein und insbesondere für die Aufarbeitung des Völkermords an den Armeniern zum Beispiel in seiner auf türkisch 1998/1999 erschienen Trilogie „Die verschwundenen Meere“. Im November 2016 hielt er anlässlich der Erinnerung an den Mordanschlag von Mölln 1992 eine Rede, in der er seine eigenen Erfahrungen während der rassistischen Pogrome in Deutschland beschreibt.
Von 1985-1987 war Akhanlı als politischer Häftling im Militärgefängnis von Istanbul inhaftiert und wurde dort gefoltert. Er floh 1991 nach Deutschland, wurde als politischer Flüchtling anerkannt und 1998 von der Türkei ausgebürgert. 2001 wurde er deutscher Staatsbürger. In den Jahren 2010 und 2011 war er in der Türkei angeklagt, an einem Raubüberfall teilgenommen zu haben, wofür am Ende keinerlei Beweise vorlagen und er freigesprochen wurde.
2013 wurde der Freispruch jedoch wieder aufgehoben und ein internationaler Haftbefehl erlassen. Internationale Prozessbeobachter kritisierten das heftig. Rechtsanwalt Uyar, der Akhanlı schon in diesem Fall verteidigt hat, kennt die Vorwürfe, die jetzt zur Festnahme führten, nicht. „Es könnte sein, dass die Festnahme mit diesem Haftbefehl zu tun hat. Aber mein Mandant ist seit Jahren deutscher Staatsbürger und reist unbehelligt durch Europa. Es gibt keinen Grund, ihn mit einer derartigen Aktion im Ausland festzunehmen.“
Die erfundene Anklage des Raubüberfalls wertete Akhanlı damals als Versuch der Einschüchterung: „Sie werfen mir vor, dass ich Mitglied in einer Terrororganisation bin. Dabei wissen die Geheimdienste und Staatsanwälte ganz genau, dass das nicht stimmt. Der Grund dieser Anklage ist, dass ich den ersten Roman über den Genozid an den Armeniern geschrieben habe. Und sie haben gesehen, dass ich trotz der Ermittlungen gegen mich, nicht über dieses Verbrechen schweige. Das werden sie mir nie verzeihen.“
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