: Köln wird Klumpen
Privater Landesrundfunk? Ja. Mehr ausländische Investoren? Nein. Was der neue NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers medienpolitisch plant
AUS KÖLN STEFFEN GRIMBERG
Deutsche Medien, hat „Tagesthemen“-Moderatorin Anne Will gerade eben der Brigitte gestanden, neigen ja zur Übertreibung: Ein Skandälchen ist sofort ein „Riesenskandal“, ein Ärger immer ein „Riesenärger“. Der neue NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) hat also gestern zum Auftakt des Kölner Medienforums eine Riesenrede gehalten. Wirklich.
„Seien Sie von Beginn an sicher: Für mich haben Medienpolitik, Medienwirtschaft und Medienrecht hohe Priorität“, so Rüttgers. Alles andere wäre im Medienland NRW nun auch politischer Selbstmord, sein Vorgänger Peer Steinbrück (SPD) hatte das überzeugend vorgelebt. Schmutzige Wäsche in Sachen Vorgänger-Landesregierung mochte Rüttgers aber natürlich nicht waschen – das hatte am Vorabend schließlich schon sein frisch gebackener Medien-Staatssekretär Thomas Kemper besorgt.
Rüttgers fragte ganz staatsmännisch lieber, „was wir gemeinsam tun müssen, damit dieses Potenzial wieder optimal genutzt wird, damit wieder eine Aufbruchstimmung entsteht.“ Die Antwort lautet ganz prosaisch: Klumpen statt Gießkanne. Schluss ist mit der landesweiten Medienförderung, die von Bottrop bis Dortmund für teures Geld oft nur Scheinblüten brachte. Gefördert wird jetzt an den bestehenden Medien-„Clustern“ im Raum Köln/Düsseldorf. „Nur die Standortkonzentration wird die lange vermissten Wachstumskräfte in der Medienbranche freisetzen“, so Rüttgers. Das hatte man nun von Steinbrück bzw. seiner Medienfrau Miriam Meckel auch schon gehört. Für mehr ist übrigens auch gar kein Geld mehr da.
Und dann wurde der rheinische Katholik Rüttgers so pluralistisch wie sonst nur die evangelische Kirche, und jeder bekam was Schönes ab: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk sei so „herausragend“ wie „unentbehrlich“ und müsse sich im Rahmen der Grundversorgung allenthalben fortentwickeln dürfen, weitere Gebührenerhöhungen inklusive. Den Privatsendern versprach Rüttgers „attraktive Rahmenbedingungen“ und eine Entrümpelung der Medienkontrolle: „Das gesamte Verfahren“ müsse „gestrafft“, Doppelprüfungen zwischen Kartellbehörden und Medienaufsicht „vermieden“ werden. Liberalisierung also; allerdings – und das hat so deutlich noch kein Medienpolitiker gesagt – solle der Einfluss ausländischer Finanzinvestoren nicht noch größer werden, so Rüttgers. Wie er das anstellen will, bleibt vorerst sein Geheimnis.
Für die Zeitungsverleger gab’s auch ein Bonbon: Rüttgers will den schon lange von ihnen geforderten landesweiten privaten Hörfunk einführen. Bislang gibt es in NRW Privatradios nur auf lokaler Ebene. Immerhin ein klarer Verlierer der neuen NRW-Medienpolitik steht schon fest: die Offenen Kanäle: „Der Bürgerfunk hat sich in seiner jetzigen Form überwiegend nicht bewährt“, sprach Rüttgers und kündigte an, „mit den Beteiligten ein neues Konzept zu entwickeln“. Vor allem der WDR kann mit Rüttgers’ erstem Auftritt auf dem medienpolitischen Parkett hochzufrieden sein: Während sich Intendant Fritz Pleitgen von der bisherigen rot-grünen Koalition mit Liebesentzug gestraft sah, hätten die Teile von Rüttgers’ Rede zur Zukunft des öffentlich-rechtlichen Systems auch von ihm selbst stammen können: „Wenn es in NRW so etwas wie ein Landesbewusstsein gibt“, sprach der neue Landesvater, „dann ist das auch ein Verdienst des WDR.“
Damit passe allerdings „nicht zusammen, dass Schleichwerbungsvorwürfe erhoben werden“. Zahmer geht’s wirklich nicht: Immerhin ist die Schleichwerbung bei der öffentlich-rechtlichen Produktionstochter Bavaria erwiesen, am Freitag gab es erste Bauernopfer, während Bavaria-Chef Thilo Kleine vorerst weiter an seinem Sessel klebt.
Das Thema Schleichwerbung und die Diskussion um Kaisers Bart – also den Werbeverzicht bei ARD und ZDF – beschäftigte danach auch die tragisch uninspirierte Runde der Mediengranden, die traditionell das Medienforum eröffnet. Dabei hatte der Ministerpräsident doch Minuten zuvor gefordert: „Administrativ gesteuerte Selbstbeschäftigungen müssen beendet werden.“ Doch da war Rüttgers schon längst wieder weg, regieren.