Koalitionspoker in Hessen: Die wollen doch nur reden
Obwohl Linke und Grüne in Hessen gemeinsame Gespräche beschlossen haben, möchten die Parteien den Eindruck vermeiden, dass Rot-Rot-Grün wahrscheinlicher wird.
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WIESBADEN taz Das passt: Am Wochenende beauftragte der Parteirat der hessischen Grünen den Landesvorstand und die Landtagsfraktion, "Sondierungsgespräche" mit allen Landtagsparteien zu führen; also auch mit der Linken. Zugleich stimmten auch die hessischen Linken auf einem außerordentlichen Parteitag in Wiesbaden dafür, dass ihre Spitze Gespräche mit SPD und Grünen führen soll.
Dabei gilt allerdings die Devise: Gespräche ja - gemeinsam handeln nein. Zur Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der Linken werde es nicht kommen, sagte Grünen-Partei- und Fraktionschef Tarek Al-Wazir am Rande der nicht öffentlichen Sitzung in Frankfurt.Und eine große Mehrheit der Linke-Delegierten will nicht, dass ihre Partei in Hessen Regierungsverantwortung übernimmt.
"Wir sind gewählt worden, um das Land zu verändern, und nicht, um es uns in Ministersesseln bequem zu machen", konstatiert der Landesvorsitzende und Landtagsabgeordnete Ulrich Wilken unter dem Beifall der 157 Delegierten: "SPD und Grüne sind neoliberale Parteien, zu denen wir in Opposition stehen." Gesellschaft werde ohnehin nicht im Parlament oder durch Regierungshandeln verändert, meint auch die jüngste Abgeordnete Janine Wisser: "Wir müssen die sozialen Bewegungen stärken!" Verabschiedet wurde ein Antrag, in dem die SPD aufgefordert wird, zu entscheiden, ob sie mit der Linken im Landtag bestimmte Programmpunkte wie etwa die Abschaffung der Studiengebühren durchsetzen wolle. Wenn ja, werde man Andrea Ypsilanti (SPD) mit zur Ministerpräsidentin wählen und damit nach dem Einzug in den Landtag das zweite Wahlversprechen erfüllen: "Weg mit Koch!"
Rot-Rot-Grün in Hessen? Tolerierung? Sowohl Grüne als auch Linke wollen deutlich machen: Diese Alternative gibt es nicht. Im Landtag würde es ohnehin keine linke Mehrheit geben, sondern "nur eine Mehrheit links von CDU und FDP", sagte eine Delegierte auf dem Sonderparteitag der Linken. "Rentenbetrugs- und Kriegstreiberparteien", sagte ein anderer Genosse, seien schließlich keine linken Parteien. Im Gegenzug weist die von den Grünen am Samstag zur Regierungsbildung aufgeforderte Sozialdemokratin Ypsilanti alleine den Gedanken an eine Zusammenarbeit mit der Linken weit von sich. Sie setzt, wie aktuell auch SPD-Generalsekretär Hubertus Heil, auf eine Ampelkoalition. Schwarz-Gelb-Grün befürwortet jetzt auch der FDP-Landeschef Jörg-Uwe Hahn, falls die Grünen ihr Programm komplett dem der FDP anpassen sollten.
Auch wegen der "Bedeutung der Verzahnung der Partei mit den außerparlamentarischen Bewegungen" empfahlen die Delegierten der Linken in Wiesbaden die Wahl von Spitzenkandidat Willi van Ooyen zum Fraktionschef, obgleich der 60 Jahre alte Friedensaktivist parteilos ist. Über was aber reden Grüne und Linke eigentlich demnächst? "Vielleicht über das schöne Wetter oder den steilen Höhenflug der Frankfurter Eintracht", höhnt ein einsamer Delegierter beim kollektiven Mittagessen. "Fundamentalopposition ist der Anfang vom Ende", sagt er warnend. Niemand hört zu. Ein paar Genossen am Büchertisch beklagen lieber "Theoriedefizite" bei jüngeren Parteifreunden und wünschen sich, die Jungen würden "mal 'Das Kapital' durcharbeiten".
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