Koalitionsoptionen vor der Berlin-Wahl: Rot-Grün mischt die Karten neu
Die Landeschefs von SPD und Grünen laufen sich warm für eine Koalition nach dem 18. September. Selbst die grüne Spitzenkandidatin soll für Rot-Grün kein Hindernis sein. SPD-Chef will keine Koalition mit der CDU.
Erstmals haben sich zwei Spitzenpolitiker in Berlin für Rot-Grün stark gemacht. "Berlin ist eine linke Stadt, in der die drei linken Parteien eine deutliche Mehrheit haben", sagt der grüne Landesvorsitzende Daniel Wesener im großen taz-Wahlgespräch. "Wenn eine Mehrheit der Bevölkerung aus diesem Spektrum eine Regierungskoalition haben will, wundert mich das nicht." Weseners Gesprächspartner Michael Müller, Landeschef der SPD, stimmt zu: "Aus allen Umfragen geht hervor, dass die Berlinerinnen und Berliner eine Mitte-links-Koalition wollen." Den jüngsten Umfragen zufolge kommen SPD und Grüne zusammen auf 53 Prozent der Stimmen.
Auch unter den Berliner Wählerinnen und Wählern findet Rot-Grün mit 31 Prozent die meiste Zustimmung. Für eine große Koalition votieren 18 Prozent, es folgen Rot-Rot mit 15 und Schwarz-Grün oder Grün-Schwarz mit 13 Prozent.
Einer rot-schwarzen Koalition erteilte Müller eine Absage. "Bei der
König: Michael Müller. Auch wenn ihm Klaus Lederer von den Linken der liebere Bube wäre: Mit Grünen-Chef Daniel Wesener versteht sich der SPD-Landes- und Fraktionsvorsitzende prächtig.
Bube: Daniel Wesener. Von Koch und Kellner will er nicht reden, er will ein Bündnis auf Augenhöhe.
Stich: Rot-Grün hätte nicht nur eine absolute, sondern auch eine gesellschaftliche Mehrheit.
Lusche: Der Ausgang ist offen. Will Renate Künast wirklich Regierende Bürgermeisterin werden, geht das nur im Bündnis mit der CDU.
SPD ist es so, dass von der Basis bis zur Spitze alle riesige Probleme haben, mit der CDU zusammenzuarbeiten", sagte Müller im taz-Gespräch. Zwar könne er eine Zusammenarbeit mit der CDU nicht ausschließen. "Aber wir wollen eine solche Koalition nicht", so Müller.
König: Daniel Wesener. Der Grüne wäre Chef einer Regierungspartei, und Renate Künast, bislang Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Grünen, würde als zweite Grüne nach Winfried Kretschmann Regierungschefin.
Bube: Frank Henkel. Für den Fraktions- und Landesvorsitzenden der CDU wäre es eine von zwei Möglichkeiten, nach zehn Jahren wieder in den Senat einzuziehen. Auch für die Bundes-CDU wäre Grün-Schwarz interessant - erhöht es doch die Alternativen von Angela Merkel.
Stich: Nach der letzten Umfrage kämen Grüne und CDU auf 44 Prozent, Rot-Rot dagegen nur auf 43 Prozent. Könnte also knapp reichen. Voraussetzung: Die CDU bleibt hinter den Grünen.
Lusche: Die grüne Basis. Niemand hätte etwas gegen eine Regierende Bürgermeisterin Künast. Wenn die SPD der Bube wäre. Aber mit der CDU? Da ist vielen Rot-Grün lieber, auch wenn dann die SPD den König stellte.
Allerdings gibt es nach wie vor große Hürden für eine dritte Auflage eines rot-grünen Senatsbündnisses seit 1989 und 2001. Strittig ist vor allem der von der SPD geforderte Weiterbau der Stadtautobahn A 100, den die Grünen ablehnen. Ein Volksentscheid, wie ihn Grüne und SPD in Baden-Württemberg für Stuttgart 21 verabredet haben, kommt für den SPD-Chef nicht in Frage: "Das kann ich mir an dieser Stelle nicht vorstellen", sagte Müller. "Zur politischen Führung gehört auch, zu sagen, was man will und wofür man steht." Wesener konterte: "Das sind genau die Themen, wo die Nähe zur CDU bei der SPD weitaus größer ist."
König: Michael Müller. Rot-Rot ist die dritte Königsoption des SPD-Landes- und Fraktionsvorsitzenden. Und es ist zugleich die einfachste. Das Bündnis zwischen SPD und Linken ist eingespielt wie die Kartenrunde in einer Dorfkneipe. Allerdings gibt es auch Ermüdungserscheinungen.
Bube: Klaus Lederer. Für den Linken-Chef wäre eine dritte Auflage von Rot-Rot ein Riesenerfolg, haben doch viele seine Partei bereits abgeschrieben. Aber auch der eine oder andere Genosse sieht sein Heil lieber in der Opposition.
Stich: Wird knapp. Laut der letzten Umfrage kommt Rot-Rot auf 43 Prozent. Das reicht nicht, weil sowohl Rot-Grün (54 Prozent) als auch Grün-Schwarz (44 Prozent) auf mehr Prozentpunkte kämen.
Lusche: Alles bliebe beim Alten, nur noch lustloser. Es sei denn, König Müller und Bube Lederer würden sich für eine Runderneuerung des Senats starkmachen. Ein Problem wäre, wenn es reicht, auch die knappe Mehrheit.
Allerdings halten sich die Sympathien sowohl des SPD- als auch des Grünenchefs für die Christdemokraten in Grenzen. "Bei der SPD ist es so, dass von der Basis bis zur Spitze alle riesige Probleme haben, mit der CDU zusammenzuarbeiten", räumt Müller ein. Auch Wesener sagt, die Grünen hätten weitaus mehr Gemeinsamkeiten mit der SPD als mit der CDU.
König: Michael Müller. Der SPD-Landes- und Fraktionschef würde zusammen mit dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit nach zehn Jahren wieder mit der CDU am Senatstisch sitzen.
Bube: Frank Henkel. Für den CDU-Landes- und Fraktionschef wäre es die zweite und wohl auch die zweitbeste Konstellation, seine Partei wieder an der Regierung zu beteiligen. Ein Triumph wäre es dennoch, liegt die CDU in Umfragen doch nur auf Platz drei.
Stich: Rechnerisch ist Rot-Schwarz genauso möglich wie Rot-Grün. Klappt dann, wenn Grün-Schwarz auf keinen grünen Nenner kommt und die SPD zusammen mit der CDU die A 100 bauen will. Oder wenn es für Grün-Schwarz nicht reicht und Rot-Grün bei den Sondierungen an der A 100 scheitern sollte.
Lusche: SPD-König Müller würde auf alte Bekannte treffen, auf die er lieber verzichtet. Die SPD-Basis könnte dem ungeliebten Bündnis die rote Karte zeigen.
Ob es nach den Wahlen zum Abgeordnetenhaus am 18. September tatsächlich zu einem rot-grünen Bündnis kommt, hängt auch an Renate Künast. Hält die grüne Spitzenkandidatin an ihrem Ziel fest, Regierende Bürgermeisterin zu werden, ginge das nur im Bündnis mit der CDU.
Zwar dementiert der dem linken Flügel angehörende grüne Landeschef, dass es eine Interessenskollision zwischen der Bundestagsfraktionschefin Künast und der Partei gebe. Wesener betonte aber: "Koalitionsgespräche führen auch die beiden Parteivorsitzenden, also Bettina Jarasch und ich." Zudem sei Renate Künast klug genug, um zu wissen, "dass es immer um gemeinsame Entscheidungen geht".
Das ganze taz-Gespräch mit Michael Müller und Daniel Wesener erscheint am Freitag, 19.8.11, in der gedruckten taz, und im Laufe des Tages dann auch auf taz.de
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Olaf Scholz in der Ukraine
Nicht mit leeren Händen