piwik no script img

Knut ist schon fünf Jahre totDas Feld ist bestellt für den Nachfolger

Der Eisbär Knut war eine Berliner Ikone bis zu seinem überraschenden Tod vor fünf Jahren. Doch warum gibt es keinen neuen Hype?

So sah er aus: der kleine Eisbär Knut Foto: dpa

Knut ist jetzt schon länger tot, als er gelebt hat. Am 19. März 2011 ertrank der damals viereinhalbjährige Eisbär vor den Augen der Besucher im Wassergraben seines Zoogeheges. Heute, fünf Jahre später, muss man feststellen: Die Fußstapfen, die er hinterlassen hat, waren bislang zu groß für die Nachgeborenen. Edgar, der kleine Elefant – war da was? Nicht einmal bei Orang-Utan-Baby Rieke schlug die Begeisterung derartige Wogen. Vom neuen Zoochef An­dreas Knieriem, der auch mit viel Wohlwollen empfangen wurde, ganz zu schweigen. Knut stellt, was den Hype angeht, nach wie vor alle in den Schatten.

Das ist verwunderlich. Denn Knut bediente doch vor allem ein Bedürfnis: Er weckte weltweit wohlig warme Gefühle und eignete sich wunderbar zur Weltflucht. Sigmar Gabriel, damals noch Umweltminister, versuchte Knut zwar für den Kampf gegen den Klimawandel einzuspannen und übernahm fotowirksam die Patenschaft. Doch kein Mensch dachte beim Anblick von Knut an die Erder­wär­mung. Er war einfach nur niedlich. Zumindest solange das Kindchenschema wirkte.

Eigentlich müsste das Bedürfnis nach einem Knut heute viel größer sein. Die damalige politische Lage erscheint im Nachhinein geradezu harmlos. Ja, Anfang 2007 gab es einen unangenehmen Sturm namens „Kyrill“. Und, oh Gott, es gründete sich die Linke als bundesweite Partei links von der SPD. Die EU sollte mit dem Vertrag von Lissabon reformiert werden, und in den USA neigte sich Bushs Amtszeit dem Ende zu. Kein Chaos bei der Versorgung von über einer Million Flüchtlinge, keine AfD, kein Donald Trump.

Es gäbe heute also ungleich mehr Gründe für den Wunsch nach Weltflucht als zu Knuts Kindheitstagen. Das Feld ist bestens bestellt für einen neuen Hype. Es fehlt nur noch das passende Tierbaby. Warum auch nicht? Knut hat die Begeisterung jedenfalls nicht geschadet. Er ist an einer Gehirnentzündung gestorben, nicht an zu viel Verehrung.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen