piwik no script img

KneippenDas Ayurveda meiner Mutter

Die neue Exotik des Traditionellen nach dem Wellness-Boom

Wassertreten im Bodensee in Kneippscher Tradition Bild: dpa

Er soll ein eher mürrischer Pfarrer gewesen sein: Sebastian Kneipp. Aber er hat den Schatz an heilenden Hausmitteln in Deutschland populär gemacht. Wadenwickel, Wassertreten, Armbad, Bewegung, heimische Kräuter, Ernährung und emotionale Ausgeglichenheit - ein ganzheitlicher Ansatz, wie er zuletzt in asiatischen Heilmethoden, vor allem dem Ayurveda, propagiert und gesucht wurde. Zugegeben: ein kalter Wasserguss bis zum Knie verwöhnt weniger als die vierhändige Ganzkörper-Ölmassage oder der Stirnguss. Die Ertüchtigung in der Natur mag im Gegensatz zur in sich gekehrten Meditation die robustere Form der Zentrierung sein, aber Wörishofen im Allgäu hat nun mal andere klimatische Bedingungen und natürliche Ressourcen als das indische Goa. Doch beide Heilansätze haben das ganzheitliche psychische und physische Wohl im Auge. Kneipp, das ist das Ayurveda meiner Mutter, bevor Fernreisen lebensstilprägend wurden.

Für gesundheitsbewusste Nomaden war das Versprechen des Ayurveda verheißungsvoller als das altbackene Wassertreten im eiskalten Gebirgsbach. Doch nach der Erkenntnis, dass überall nur in Wasser gebadet wird, liegt Pfarrer Kneipp wieder im Trend. Ob Bad Waldsee - romantisch zwischen Seen gelegen, Bad Wurzach - mit dem größten intakten Hochmoor Mitteleuropas oder Bad Wörishofen, wo Pfarrer Kneipp wirkte - auf der Schwäbischen Bäderstraße kneippen inzwischen nicht nur Alte, sondern immer mehr ausgebrannte Jungmanager, denen hier nichts anders übrig bleibt, als in absoluter Ruhe zu entspannen.

Kneipp ist nichts für Warmduscher, deshalb haben sich die unspektakulären, beschaulichen Kurorte an der Bäderstraße mit einem trendigen Kneippianum wie in Bad Wörishofen oder ähnlichen Spa-Anlagen in neuen Design dem Wohlfühltrend angepasst; Sauna, Meditation oder Aromamassage inclusive. Endlich daheim. Auch bei der Sinnfindung. Bei Schwester Waldefriede in Wörishofen beispielsweise mit meditativem Tanzen, spirituellen Minuten oder beim Besuch der Hauskapelle. Ich jedenfalls habe Kneipp und den kalten Guss wiederentdeckt. Innerlich fröstelnd.

www.schwaebische-baederstrasse.de

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • GA
    Georg aus dem Süden

    ein ausgedehntes Moorbad-im-Bottich in Bad Wurzach dürfte, was die Anwendungs-Intensität betrifft, allemal mit einer ayurvedischen "vierhändigen Ölmassage" konkurrieren können... :-)

    Hat die Authorin beides schon mal genossen?