: Kneifen gilt nicht
■ Morsche Knochen dürfen wieder zittern: Deutsche Marinesoldaten nahmen Kurs auf den Persischen Golf
Frankfurt (taz) - Gestern sind sieben Schiffe der Bundesmarine mit dem Ziel östliches Mittelmeer ausgelaufen. Anfang September sollen sie, so Vizeadmiral Braun, „auftragsgemäß“ ihren Bestimmungsort Kreta erreichen. Beschlüsse, die zu einem weitergehenden Einsatzbefehl führen könnten, seien „wenig wahrscheinlich“, betonte der Befehlshaber der Flotte zur Verabschiedung der Besatzung. Dennoch müßten Möglichkeiten eines Einsatzes gegen scharfe Minen und Gefechtshandlungen in die Überlegungen eingeschlossen werden.
Auch der Bundeskanzler schließt mittlerweile nicht mehr aus, daß die geballte Kampfkraft von fünf Minensuchboten, zwei Versorgungsschiffen, 385 Mann Besatzung und zwei Militärgeistlichen alsbald in den Persischen Golf durchstoßen könnte. Zwar verhindert die Pensionsgrenze, daß Aktive der Hitler-Armee bei diesem Unternehmen Seelöwe dabei sind - und um diesen Anschein völlig auszuschließen, hat man 111 junge Wehrpflichtige mitgenommen -, ansonsten ist alles beim alten: Wie weiland ist angeblich auch jetzt der Verteidigungsfall gegeben. Die Grenze von Kuwait wurde verletzt und Kuwait grenzt auf der Nato-Landkarte bekanntlich direkt an Cuxhaven. Da kann man nicht zaudernd stehen, und die Verbündeten die Rohöl-Kastanien aus dem Feuer holen lassen, hier muß - die Kommentatoren in den Medien haben es säbelrasselnd deutlich gemacht - Flagge gezeigt werden. Zumal im Zuge der neuen Souveränität, mit der offenbar auch die Parolen preußischer Leichen -Fabrikation (Kneifen gilt nicht!) zackig wiederauferstehen. Wie sonst ist die Verlautbarung der Marine zu verstehen, daß es sich bei ihrem Geschwader um „die modernsten Boote der Minenabwehr aller Nato-Staaten“ handelt? Doch nur so, daß es sich bei diesem Einsatz nicht um ein symbolisches Flaggezeigen handelt, sondern um einen militärisch gewichtigen Einsatz.
Daß es nicht nur Ethik und Moral, sondern schon dem simplen Stil zuwiderläuft, wenn zum dritten Mal in diesem grauenvollen Jahrhundert unter deutscher Flagge auf den Weltmeeren gekämpft wird - „ausgestattet mit Geräten zur Minenjagd und -räumung, Seeraumüberwachungs- und Navigationsradar, Sonar-Ortungsgerät, Funksende- und Empfangsanlagen, Unterwassertelefon sowie 40-Milimeter -Geschütz, - dieser Skandal will von der Hardthöhe abwärts offenbar niemandem in den Kopf.
Dabei hätte es durchaus Alternativen gegeben, die auch den Sachzwängen der „Altlast Nato“ gerecht worden wären: Sanitäter-Einheiten, Musik-Corps und professionelle Truppenbetreuung. Für andere Aufgaben sollten sich die wehrwütigen Deutschen auf den Schlachtfeldern der Welt ein für allemal disqualifiziert haben.
Mathias Bröckers
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