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kuckensema: auf bremens leinwändenKlischee und Wirklichkeit: das Symposium „Out/Off Africa“ im Kino 46

Heute startet in den Multiplexen der Hollywoodschinken „Sahara“. Eine Actionkomödie in der Tradition der Indiana Jones Filme, in der ein junger Draufgänger im tiefsten Afrika einen Schatz sucht und Penelope Cruz dem Ursprung einer gefährlichen Epidemie auf der Spur ist.

Man glaubt den Film schon zu kennen, ohne ihn gesehen zu haben, denn der Fundus an Klischees und Versatzstücken, aus dem bei solchen Genreproduktionen geschöpft wird, ist altbekannt: die edlen Beduinen, die wilden Schwarzen, der dicke, böse Diktator und die unbesiegbaren weißen Helden. Afrika ist für uns immer noch ein „großer Abenteuerspielplatz“, ein „weitgehend von wilden Tieren bevölkerter, geschichtsloser, von romantischen und kolonialistischen Phantasien besetzter Raum“.

So die These von Ernst Schreckenburg, dessen Vortrag „Weißer Jäger – Schwarzes Herz“ am Samstagnachmittag den Kern des Symposiums „Out/Off Africa“ bildet. Er wird dabei ein paar Filmausschnitte zeigen, aber die Veranstalter gehen davon aus, dass diese Bilder uns so vertraut und allgegenwärtig sind, dass sie darauf verzichteten, auch nur einen entsprechenden Mainstreamfilm, den man dann schön gegen den Strich hätte ansehen und analysieren können, mit in ihr Programm zu nehmen. Stattdessen werden 14 Filme von europäischen Regisseuren gezeigt, die sich kritisch mit diesen Klischees auseinander gesetzt haben.

Mit der experimentellen ethnographischen Studie „Reassamblage“ der Senegalesin Trinh T. Minh-Ha wird als Kontrapunkt und Korrektiv nur ein in Afrika selber produzierter Film gezeigt, aber das Bremer Kommunalkino, das seit 1987 regelmäßig „Afrika-Filmtage“ mit den Werke afrikanischer Filmemacher veranstaltet, konzentriert sich diesmal ganz auf das Bild, das wir uns von Afrika machen.

So hat Martin Baer in „Befreien Sie Afrika“ 500 Ausschnitte aus Spielfilmen, Dokumentationen, Comics und Werbespots aneinander montiert, in denen die Geschichte des deutschen militärischen Engagements in Afrika anhand der Populärmythen erzählt wird. Einen ähnlichen medienkritischen Ansatz hat auch Peter Heller in seinem Filmessay „Tam-Tam zur Tagesschau“, in dem er die Inhalte von deutschen Nachrichtensendungen untersucht. Leni Riefenstahl fotografierte und filmte in den Sechzigern die Nuba im Sudan, und grundsätzlich machte Ralf Schmerberg nichts anderes, als er sowohl in seinen Fotos, die bis zum 3. Juli im Medienzentrum gezeigt werden, wie auch in seinem Film „Hommage à Noir“ die Menschen in Afrika radikal auf ihre Schönheit reduziert. 48 Minuten lang sieht man da makellose Einstellungen, für die der Kameramann Franz Lustig verdient den deutschen Kamerapreis bekam, dazu keinerlei störende Information, sondern nur eine verführerisch einschmeichelnde Musik.

Andere europäische Filmemacher ließen sich dagegen viel tiefer auf Afrika ein und bemühten sich mit zum Teil erstaunlichen Resultaten um einen realistischeren Blick. Der Franzose Jacques Sarasin begleitete etwa in „African Blues“ den international erfolgreichen Musiker Boubarcar Traouré auf seiner Reise zurück in seine Heimat in Mali, und dabei ist ihm nicht nur ein wunderschöner Musikfilm gelungen, sondern ganz nebenbei lernt man neben dem melancholischen Musiker auch seine alten Freunde und Kollegen kennen und erfährt durch deren Erzählungen vieles von der politischen und sozialen Entwicklung des Landes seit der Befreiung vom Kolonialismus.

Bei „Anansi“ mag man kaum glauben, dass ihn ein deutscher Regisseur gedreht hat, so authentisch, detailreich und poetisch gelang es Fritz Baumann in diesem Roadmovie über die abenteuerliche Reise einiger Westafrikaner ins vermeintlich gelobte Europa, die Geschichte aus der Perspektive der drei jungen schwarzen Helden zu erzählen.

Kaum zu ertragen und dennoch unbedingt sehenswert ist dagegen der Dokumentarfilm „Lost Children“ von Ali Samadi und Oliver Stolz, in dem vier Kinder aus Uganda erzählen, wie sie von Rebellen entführt und als Kindersoldaten rekrutiert wurden. Die zwischen acht und 15 Jahre alten mordenden Opfer schildern barbarische Gräueltaten, die sie zum Teil selber ausführen mussten, und der Blick in ihre schon viel zu alten Augen, in denen sich ihre verwüsteten Seelen widerspiegeln, ist dabei genauso verheerend wie ihre fürchterlichen Beichten.

Wilfried Hippen

„Out/Off Africa“ findet an diesem Wochenende im Kino 46 statt. Kurzkritiken und Spieltermine der Filme finden Sie in der Kinotaz

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