Klimt-Doku: Happy End mit Haken

Spannend wie ein Spielfilm: Die Doku "Stealing Klimt" erzählt die unglaubliche Geschichte von fünf Gustav-Klimt-Gemälden, die gleich mehrfach geraubt wurden.

"Adele Bloch-Bauer 1" von Gustav Klimt, 1907 Bild: stardust

Jane Chablani und Martin Smith haben jedes Recht, mit ihrem Dokumentarfilm "Stealing Klimt" für Maria Altmann und ihren Kampf für die Rückgabe von fünf wertvollen Gustav-Klimt-Gemälden Partei zu ergreifen. Die Umstände zwingen sie schlicht dazu. Dem vom Deutschen Reich verübten Diebstahl der Bilder aus dem Besitz ihrer Familie im Jahr 1938 folgte 1948 eine erpresserische Nötigung durch die Republik Österreich. Nur unter der Bedingung des Verzichts auf die Gemälde genehmigte der neu gegründete Staat die Ausfuhr des restituierten Eigentums des 1945 in der Schweiz gestorbenen jüdischen Fabrikanten Ferdinand Bloch-Bauer in die USA, wohin seine Erben geflüchtet waren.

Anstelle der erwartbaren Bemühung um Wiedergutmachung vorangegangenen staatlichen Unrechts trat also dessen Fortsetzung. Die Alliierten Restitutionsgesetze verpflichteten auch Österreich zur Rückgabe des enteigneten Besitzes von rassisch oder politisch Verfolgten des Naziregimes. Doch praktischerweise konnte sich dort die staatliche Bürokratie gleichzeitig eines Exportverbots für Kunst- und Kulturgüter bedienen, um das wertvollste Raubgut weiterhin für die eigenen Museen und Sammlungen zu sichern.

Dabei ist Maria Altmann keine verbitterte oder verbohrte alte Frau, sondern eine hellwache 90-jährige Dame. Gelassen vertritt sie ihren Fall, mit klaren Argumenten und deutlichen Erinnerungen. In kürzester Zeit verfällt man ihrem Charme. In ihrem noch immer schönen Gesicht meint man Züge ihrer Tante wiederzuerkennen, wie sie Gustav Klimt 1907 porträtierte, in "Adele Bloch-Bauer I".

Als die nach 1945 getroffenen Zwangsvereinbarungen 1998 durch das Kunstrückgabegesetz revidiert wurden, forderte Maria Altmann erneut die Rückgabe der Klimt-Gemälde. Doch nun waren die Gemälde nach Aussage der Vertreter Österreichs nie Raubkunst der Nazis gewesen: Denn Adele Bloch-Bauer habe sie schon 1925 der Österreichischen Galerie Belvedere vermacht. Der österreichische Journalist Hubertus Czernin allerdings widerlegte die Behauptung. Seine gegen heftigen Widerstand erfolgten Recherchen belegten, dass Ferdinand Bloch-Bauer die Bilder rechtmäßig an seine Nichten und Neffen vererbt hatte.

Trotz seiner konventionellen Mittel, den Talking Heads, den alten Fotos und Dokumenten, fühlt sich "Stealing Klimt" nicht wie ein Dokumentar-, sondern wie ein abendfüllender Spielfilm an. Das macht die Raffinesse seiner Dramaturgie, die die Chronologie der Ereignisse als eine Abfolge verschiedener Genres inszeniert - inklusive abschließendem, genregerechtem Happy End mit dem plötzlichen Millionenreichtum, den der Kunstmarkt beschert.

"Stealing Klimt" eröffnet mit der Familiensaga, dem Aufstieg der Bloch-Bauers und ihrem Fall, der dann in den politischen Geschichtsroman überleitet und den Gesellschaftsroman vom Aufstieg und Fall Österreichs, der zuletzt zum Justizthriller wird, als der Streit bis zum US-Supreme Court führt, der feststellt, die Klage Altmanns gegen die Republik Österreich vor einem kalifornischen Gericht verstoße nicht gegen den Foreign Immunities Act. Die US-Regierung stellte sich damals übrigens als sogenannter Rechtsfreund ("amicus coriae") auf die Seite Österreichs.

In Folge dieses Urteils befürchtete Österreich eine Klagewelle aus den USA und stimmte einem Schiedsgerichtsverfahren zu, in dem 2005 die Herausgabe der Gemälde an die Erben verfügt wurde. Wenig später brachte das Porträt "Adele Bloch-Bauer I" bei "Christies" bis dahin unübertroffene 135 Millionen Dollar ein.

Leider ist dieses Happy End das Unglück des Films. Denn das Bild von der Kunst-Auktion, die Altmanns erfolgreichen Streit krönt, ist schief. Die längst fällige, begrüßenswerte Veränderung der Machtverhältnisse in der Restitutionsfrage haben die Opfer auf sich selbst gestellt erkämpft, allein mit Hilfe findiger Rechtsanwälte und unabhängiger Richter. Den Kunsthandel, der die ganze Zeit über unangefochten beim Geschäft mit der Raubkunst mitmischte, interessierte ihr Kampf erst, als er erneute Geschäfte versprach.

Unverständlich, warum der Weg der Gemälde in seine Hände für "Stealing Klimt" so unproblematisch ist, warum über den Aufruf des New York Times-Kunstkritikers Michael Kimmelman im Film kein Wort verloren wird. Seine Bitte, die Bloch-Bauer-Erben möchten wenigstens eines der Gemälde einem Museum übergeben, verhallte ungehört. Daher wird nur "Adele Bloch-Bauer I" der Öffentlichkeit in der Neuen Galerie von Ronald S. Lauder wieder zugänglich sein. Zuletzt sicherte sich der Erbe des Kosmetikimperiums Estée Lauder auch den Kirchner, den das Berliner Brücke Museum restituierte, denn der superreiche Provinzler glaubt, erst der Standort New York mache große Kunst. Die anderen Klimts, "Adele Bloch-Bauer II", "Apfelbaum I", "Buchenwald/Birkenwald" und "Häuser am Unterach am Attersee" sind in Privatsammlungen verschwunden.

"Stealing Klimt". Regie: Jane Chablani. Buch: Martin Smith, UK 2006, 88 Min.

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