Klimawandel: Kühlende Staubpartikel
Feinstäube und winzige Rußpartikel können für Menschen tödlich sein. In der Atmosphäre jedoch haben sie eine kühlende Wirkung auf das globale Klimageschehen.
Auf den ersten Blick ist das so richtig eine Nachricht nach dem Geschmack von Pessimisten mit einem Faible für das Genre "Weltuntergang": Die beiden US-Wissenschaftler Veerabhadran Ramanathan und Yan Feng, die am Institut für Ozeanographie der Universität von Kalifornien forschen, haben kürzlich in den "Proceedings" der US-Akademie der Wissenschaften (PNAS) eine Studie veröffentlicht, die es in sich hat. Ein gefährlicher Klimawandel sei nicht mehr zu vermeiden, es gehe nur noch darum Schlimmeres zu verhindern und ein sinnvolles Management der Luftverschmutzung zu organisieren, lautete die pessimistische Botschaft. Diejenigen Bestandteile der Auto- und Kraftwerksabgase, die sowohl gesundheitsschädlich sind als auch zur globalen Erwärmung beitragen, müssten vordringlich bekämpft werden.
Die beiden hatten sich in einem Gedankenexperiment gefragt, was wohl passiert, wenn man die Abgase von Kohlekraftwerken, Dieselmotoren und ähnlichem filtern und damit die Emissionen von Schwefeldioxid (SO2), Stickoxiden (NOx), Ruß und anderen Feinstäuben drastisch reduzieren würde. Smogverhangene Städte Chinas, schwere Schäden an Wäldern und Feldern, hohe Todesraten durch Feinstaub in Indien und anderswo lassen das dringend geboten erscheinen.
Die Sache hat nur einen Haken: Diese Substanzen werden in Form kleiner Partikel - Aerosole in der Sprache der Atmosphärenforscher - emittiert und haben einen erheblichen Einfluss auf das globale Klima, und zwar - alles in allem - einen kühlenden. Besonders die vom SO2 gebildeten Sulfate wirken wie kleine Spiegel, die das Sonnenlicht direkt ins Weltraum zurückwerfen.
Diese Auswirkungen für das Klima sind seit langem bekannt und werden auch bei der Erstellung von Projektionen des künftigen Klimas berücksichtigt. Keinen Eingang in die Überlegungen hat allerdings bisher die Möglichkeit gefunden, die Schadstoff-Emissionen könnten deutlich schneller als die Treibhausgase reduziert werden. Dann, und darum geht es in der Arbeit von Ramanathan und Feng vor allem, würde sich das Treibhausproblem noch verschärfen.
Sie rechnen vor, was passiert, wenn einerseits sofort global die Aerosol-Emissionen eingestellt und andererseits die Treibhausgas-Konzentration in der Atmosphäre auf dem heutigen Niveau eingefroren würden. Heraus käme - mit einer Verzögerung von einigen Jahrzehnten aufgrund der Trägheit der Ozeane, die sich nicht so schnell erwärmen - ein Temperaturanstieg von etwa 1,6 Grad Celsius gegenüber heute beziehungsweise 2,4 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau.
Letzteres, darauf haben in den letzten Jahren viele Wissenschaftler hingewiesen, ist bereits eindeutig im gefährlichen Bereich. Mit ziemlicher Sicherheit würden positive Rückkopplungen angestoßen, die den Treibhauseffekt ihrerseits verstärken. Kandidaten sind dafür Methan-Emissionen aus auftauenden Permafrostböden in arktischen und subarktischen Regionen, die Destabilisierung der Eisschilde auf Grönland und eventuell auch in der Westantarktis oder die Gletscher Zentralasiens, um nur einige zu nennen.
Ramanathan und Feng machen in ihrem Artikel klar, dass sie nicht einer Weltuntergangsstimmung das Wort reden wollen. Es gehe ihnen vielmehr darum, auf die Dringlichkeit des Problems hinzuweisen. Außerdem plädieren sie dafür, Luftreinhaltung und Klimaschutz zusammen zu sehen.
Insbesondere empfehlen sie Ruß und NOx als erstes in Angriff zu nehmen. Ruß tötet in Indien mehr als 500.000 Menschen im Jahr, trägt zugleich zur Erwärmung bei und lässt auf dem "Dach der Welt" die Gletscher schmelzen, die Asiens wichtigste Flüsse speisen. NOx ist Vorläufersubstanz für bodennahes Ozon - nicht mit der Ozonschicht in etwa 30 Kilometer Höhe zu verwechseln. Ozon (O3) greift nicht nur die Atemwege der Menschen an und schädigt wichtige Kulturpflanzen wie Reis, sondern ist auch ein effektives Treibhausgas.
Zusammen machen Ruß und O3 etwa 15 Prozent des menschlichen Treibhausproblems aus, sind aber nur von sehr kurzer Lebensdauer. Würde man ihre Quellen verstopfen, könnte dieser Teil des Problems innerhalb weniger Jahre gelöst werden.
Hans Joachim Schellnhuber, Direktor des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), hat in der gleichen PNAS-Ausgabe eine Replik veröffentlicht. In dieser stellt er die beiden zentralen Annahmen von Ramanathan und Feng in Frage.
Zum einen sei nicht damit zu rechnen, dass die Luftverschmutzung tatsächlich so rasch reduziert werden kann. (In den Berechnungen der beiden US-Forscher wurden sie 2005 sozusagen ausgeknipst.) Zum anderen könne die atmosphärische Treibhauskonzentration auch wieder zurückgehen. Für letzteres sei die Aufnahmefähigkeit der Ozeane verantwortlich, die auch noch nach einem Rückgang der CO2 -Emissionen weiter dieses Treibhausgas aus der Luft entfernen würden.
Damit relativiert er die pessimistisch anmutende Grundaussage in der kritisierten Arbeit. Andere Aussagen, wie die, dass gezielt Ruß und NOx reduziert werden sollten, behalten jedoch Bestand. Schellnhuber rechnet vor, dass mit einem ambitionierten globalen Klimaschutzprogramm die globale Erwärmung gerade noch unter dem kritischen Wert von plus 2 Grad Celsius gehalten werden kann.
Voraussetzung ist dafür, dass die globalen Emissionen spätestens zwischen 2015 und 2020 ihren Höhepunkt erreichen und danach abnehmen, und zwar auf 50 Prozent bis 2050 und auf null Prozent bis 2100. "Das setzt voraus, dass die industrielle Revolution für Nachhaltigkeit sofort beginnt", schließt er seinen Beitrag.
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