Klimawandel in Deutschland: Erst die Dürre, dann die Flut
Noch vor wenigen Jahren fürchtete man in Deutschlands Nordosten Dürren. Es kamen Überschwemmungen. Eine Herausforderung für die Gewässerwirtschaft.
BERLIN taz | In vielen Regionen Ostdeutschlands ist "Versteppung" zum Unwort geworden - mit dem Begriff warnten Wissenschaftler vor den Folgen des Klimawandels. Fürchteten sich die Menschen lange Zeit vor mehr Dürren im Sommer, wie es sie in den nuller Jahren mehrfach gab, so sind es nach zwei verregneten Sommern mit starken Überschwemmungen die ungebändigten Wassermassen, die Angst verbreiten.
Die Gewässerwirtschaft, die beide Wetterextreme in den Griff kriegen muss, stellt das vor große Herausforderungen, auch finanziell. "Der Klimawandel ist nicht nur ein Wort", sagt Kurt Augustin vom Brandenburger Umweltministerium. Beide Extreme, Dürren und Hochwasser, könnten künftig häufiger auftreten. "Darauf müssen wir vorbereitet sein."
In der Tat wirken die Wetterkapriolen der vergangenen Jahre wie Vorboten auf das, worauf sich die Menschen einstellen müssen, vor allem nordöstlich der Elbe. Extrem trockene und heiße Sommer 2003 und 2006 führten dazu, dass Ackerfrüchte verdorrten und der Wasserspiegel vieler Seen stark sank. Im vergangenen und in diesem Jahr dann das andere Extrem: Regen, Regen, nochmals Regen. Kleine Flüsse traten über die Ufer, Siedlungen und Zeltplätze standen wochenlag unter Wasser.
In Mecklenburg-Vorpommern und in Brandenburg fiel in diesem Jahr nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes verbreitet das Dreifache, örtlich sogar das Vierfache des für Juli durchschnittlichen Niederschlags. So kamen in Barth allein im Juli enorme 291 Liter pro Quadratmeter herunter, das sind 419 Prozent des Durchschnitts.
Automatisiertes Wassermanagement
Noch heute sind die Grundwasserstände vielerorts deutlich erhöht. Unter anderem im Oderbruch, rund 50 Kilometer östlich von Berlin. Das fruchtbare Gebiet, das im 18. Jahrhundert eingedeicht und trockengelegt wurde, hatte seit dem Sommer 2010 Probleme. Monatelang konnte das Regenwasser nicht abfließen, was große Schäden auf Feldern und an Gebäuden verursachte.
Im September 2010 richtete das Land Brandenburg deshalb eine Arbeitsgruppe ein. Im Spätherbst dieses Jahres stellte Umweltministerin Anita Tack (Linke) 2,3 Millionen Euro für ein automatisiertes Wassermanagement zur Verfügung; davon werden etwa Pegelsonden, Regenmesser und Funkserver bezahlt.
"Vor dem Hintergrund des Klimawandels und damit verbundener Trockenperioden einerseits und zunehmenden Hochwasserereignissen andererseits steigen die Anforderungen an die Steuerung des Wasserhaushaltes im Oderbruch", so Tack. Nun könne man flexibel auf schwankende Grund- und Oberflächenwasserstände reagieren.
Das wasserwirtschaftliche System des Oderbruchs wird mit 36 Schöpfwerken und rund 300 Stauanlagen geregelt. Störungen wurden oft erst erkannt, wenn Bauern nasse Felder oder trockene Gräben als Auswirkungen falscher Steuerung anzeigten. Das soll nun besser werden.
Möglichst naturnahe Fließgewässer
Für den Brandenburger Linken-Agrarpolitiker Michael Luthardt ist dennoch klar, dass im Oderbruch künftig "nicht mehr jede Fläche landwirtschaftlich nutzbar" sei. Dafür sei der Pumpaufwand zu hoch. Für die Bauern hat er eine Idee: Ihre feuchten Brachen könnten ökologische Vorrangflächen werden - gefördert von der EU, die ihre Agrarsubventionen ab 2014 neu regelt.
Neben den großen Flüssen will sich Brandenburg auch mehr um Schutzmaßnahmen an kleinen Flüssen kümmern - nicht immer zur Freude von Naturschützern. "In der Lausitz gab es alte Deiche, die wir vor lauter Bäumen gar nicht sehen konnten", sagt Augustin vom Brandenburger Umweltministerium. "Aber wenn wir die Bäume fällen wollen, damit der Deich zugänglich und pflegbar wird, hagelt es Protest." Wichtig sei aber auch, mehr Retentionsflächen zu schaffen. "Wir brauchen möglichst naturnahe Fließgewässer."
Auch in Mecklenburg-Vorpommern hat man Lehren aus den Überschwemmungen des Sommers gezogen. Das Gewässerbett von Flüssen müsse zur Sicherung eines ordnungsgemäßen Abflusses erhalten werden, fordert Landesumweltminister Till Backhaus (SPD). Gleichzeitig müsse die ökologische Funktionsfähigkeit der Gewässer gefördert werden. Die beiden Ziele seien nicht unvereinbar, sondern müssten durch Kompromisse in Einklang gebracht werden.
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