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Klimawandel heizt Städte aufBerlin wird ein richtig heißes Pflaster

Großen Städten droht durch den Klimawandel die Überhitzung. Der Senat will deswegen zusammen mit dem Deutschen Wetterdienst eine Karte erstellen, welche Kieze es besonders trifft.

Eine der beliebtesten Berliner Kaltluftschneisen: Strandbad am Wannsee Bild: Reuters

Bereits heute stöhnen viele Berliner über die Hitze. Doch es wird bald noch schlimmer: Mit dem Klimawandel steigen die Durchschnittstemperaturen in ganz Deutschland - besonders aber in den großen Städten. "Berlin bekommt die Klimaerwärmung stärker zu spüren als andere Gegenden", sagt Jörn Welsch von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Er rechne damit, dass vor allem in den dicht bebauten Innenstadtbereichen die Temperaturen nach oben gehen.

Berlin ist heute schon eine Wärmeinsel. Beton, Asphalt und Pflaster heizen sich tagsüber auf und geben die Energie nachts nur langsam ab; die Bebauung verhindert, dass der Wind frei zirkuliert. Der Temperaturunterschied zum grünen Umland kann bis zu 10 Grad betragen.

Zurzeit messen die Meteorologen in der Innenstadt im Durchschnitt an knapp elf Tagen im Jahr mehr als 30 Grad Celsius. Mit dem Klimawandel wird sich das häufen. "Es ist schon möglich, dass wir in einigen Jahrzehnten in Berlin doppelt so viele heiße Tage haben wie bisher", sagt Welsch.

Um herauszufinden, ob das tatsächlich der Fall ist, hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung eine Kooperation mit dem Deutschen Wetterdienst (DWD) vereinbart. Die allgemeinen Auswirkungen des Klimawandels, wie sie sich aus wissenschaftlichen Modellen ergeben, sollen je nach Bebauung eines Gebiets modifiziert werden. Auf diese Weise wollen die Stadtplaner und Wetterforscher die Wärmebelastung nicht nur für ganz Berlin bestimmen, sondern sogar für einzelne Viertel. "So können wir aufzeigen, welche Bereiche besonders betroffen sind", sagt Marita Roos, Meteorologin beim Deutschen Wetterdienst.

Ein einmaliges Projekt: "Bisher gibt es in Deutschland Vorhersagen für 100 Quadratkilometer große Flächen. Wir versuchen, das auf einzelne Stadtteile herunterzubrechen", so Welsch. Mitte 2009 rechnen beide Seiten mit ersten Ergebnissen.

Die dürften die Berliner brennend interessieren. Wie schweißtreibend ist das Leben beispielsweise in Prenzlauer Berg des Jahres 2025? Sollten Menschen mit Kreislaufproblemen in Zukunft eher außerhalb des Zentrums wohnen? Wo gibt es die meisten Tropennächte mit Temperaturen über 20 Grad - in Kreuzberg oder Charlottenburg? Wer auf Fragen wie diese eine Antwort geben kann, schafft auch ein neues Bewusstsein für den Klimawandel, hofft Welsch.

Die Untersuchung soll zudem die Auswirkungen einzelner Bauprojekte auf das Stadtklima verdeutlichen. So könnten die Nachnutzungen des Flughafens Tempelhof und Tegel auf ihre Klimaverträglichkeit getestet werden. "Wir wollen eine Diskussionsgrundlage bieten für politische Entscheidungen", sagt Welsch.

Ziel ist es auch, den Stadtplanern Empfehlungen zu geben. Grünflächen, die vom Umland bis ins Zentrum reichen, könnten beispielsweise für kühle Frischluft sorgen, erläutert Roos. Mehr Dach- und Fassadenbegrünungen würden dazu führen, dass sich die Gebäude gar nicht erst aufheizen.

Ein Wetterextrem kommt selten allein: Wenn kalte Luft auf warme trifft, entstehen bekanntlich Gewitter. "Mit der Überhitzung der Innenstadt erhöht sich auch das Potenzial für kräftige Unwetter mit starkem Regen und böigem Wind", sagt Ursel Behrens, die Leiterin der regionalen Klima- und Umweltberatung des DWD in Potsdam. Vertikale Luftbewegungen könnten sich dabei entwickeln - Tornados, wie sie in den USA gefürchtet sind.

Kleiner Trost für die Berliner: Wer in einer warmen Stadt wohnt, muss im Winter weniger heizen.

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1 Kommentar

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  • MM
    Michael Meier

    Wofür wird denn da wieder Geld rausgeschmissen? Der Sinn, Zweck und die Bedeutung von Grün- und Frischluftschneisen ist doch längst bekannt. Und dass völlig zubegaute Flächen sich schnellere aufheizen als Grünflächen/unversiegelte Flächen auch! Das Wissen, dass mit dieser Studie gesammelt werden soll, ist doch längst vorhanden. Nur um es anzuwenden, muss man auch mal vernetzt denken. Nur, solange es darum geht, u.a. alle Flächen, die in öffentlicher wie auch quasi-öffentlicher Hand befinden (aufgegebene, nicht mehr betriebsnotwendige Flächen der Bahn z.B.) möglichst gewinnbringend zu verkaufen (d.h. möglichst dicht zu bebauen) oder unbedingt neue Autobahnteilstücke errichten zu müssen, wird sich daran nichts ändern. Um aber auch das Leben in der Stadt erträglicher zu machen, könnte der Senat schon mal mit kleinen Maßnahmen anfangen, z.B. wieder mehr Geld für die Pflege und Nachpflanzung des bestehenden Grüns locker machen, in dem er auf den Bau des Teilstücks der A 100 in Treptow verzichtet, in dem er Hof- und Fassadensanierung wieder breiter unterstützt, auf ehemals landeseigenen Grundstücken bei Neubebauung nicht bis an die Grenze des baurechtlich möglichen geht, oder auch einfach mal eine Fläche nicht bebauen lässt.