Klimawandel-Skeptiker: Ihre Argumente - und die Widerlegung
Die Wissenschaft ist sich über die Basisfragen zum Klimawandel einig wie selten. Für alle Zweifler hier noch einmal die wichtigsten Argumente.
"Beim Klimawandel gibt es einen größeren wissenschaftlichen Konsens als bei allen anderen naturwissenschaftlichen Fragen", sagt der US-Klimaforscher James Baker, "ausgenommen vielleicht das zweite newtonsche Gesetz der Dynamik." Doch immer wieder melden sich mehr oder weniger obskure "Klimaskeptiker" zu Wort, die den Konsens zum Klimawandel anzweifeln. Ihre Argumente sind eine Mischung aus tatsächlich offenen Fragen, längst widerlegten Ansichten und schlichten Fälschungen.
Hier Argumente der "Skeptiker" - und ihre Widerlegung:
Die Forscher verstehen wichtige Funktionen des Klimasystems noch nicht.
Das stimmt. Ein Beispiel: Wissenschaftler geben offen zu, dass sie noch nicht wirklich verstehen, ob etwa Wolkenbildung die Atmosphäre in der Summe aufheizt (weil sie die Hitze am Boden hält) oder abkühlt (weil sie Schatten spendet). Der indirekte Vorwurf, die Modelle würden die Klimaentwicklung übertreiben, trifft allerdings nicht zu - ganz im Gegenteil. Da die IPCC-Modelle etwa "Rückkopplungseffekte" wie das Auftauen der Permafrostböden kaum berücksichtigen, sind sie im Zweifel eher zu vorsichtig als alarmistisch.
Der menschliche CO2-Ausstoß ist viel zu gering, um für das Klima eine Rolle zu spielen.
Während die Menschheit jährlich etwa 22 Milliarden Tonnen Kohlendioxid durch Verbrennung fossiler Stoffe und Entwaldung in die Atmosphäre entlässt, setzt die gesamte Biosphäre umgerechnet etwa 770 Milliarden Tonnen CO2 um. Mit einem wichtigen Unterschied: Das CO2, das auf natürlichem Weg gebildet wird, wird auch wieder auf natürlichem Weg gebunden, etwa eingelagert in Holz oder gespeichert in Böden oder Ozeanen. Die Verbrennung von Kohle, Gas und Öl setzt aber das CO2 aus gerade diesen Speichern frei - es bringt deshalb die eigentlich ausgeglichene Kohlenstoffbilanz der Atmosphäre durcheinander.
Aber Kohlendioxid macht doch nur einen Bruchteil der Atmosphäre aus.
Das stimmt: CO2 ist bisher nur mit einem Anteil von 0,03 Prozent in der Atmosphäre zu finden, inzwischen sind es fast 0,04. Doch diese minimale Steigerung hat dazu geführt, dass sich die globale Mitteltemperatur der Erde bereits um etwa 0,8 Grad Celsius erhöht hat. Dabei kommt es in der Atmosphärenchemie vor, dass kleine Ursachen große Wirkungen haben: Auch die Ozonschicht ist verschwindend klein - aber ihre Schädigung hätte das Leben auf der Erde bedroht.
0,8 Grad, na und? Kritisch wird es erst bei 2 Grad.
Atmosphäre und Ozeane reagieren träge auf die Veränderungen. Was bei ihnen bereits abgeladen wurde und das, was wir noch emittieren, weil nicht alle Kraftwerke und Autos morgen stillgelegt werden, programmiert laut IPCC einen Temperaturanstieg auf im besten Fall 1,8 Grad Celsius bis 2099. Im schlimmsten Fall sind es 4 Grad. Eine Erwärmung von knapp 2 Grad bis Ende des Jahrhunderts ist also nicht mehr zu verhindern. Das ist die allgemein anerkannte Grenze für eine Temperaturerhöhung, die noch nicht zu irreparablen Schäden führt. Es gibt durchaus eine Chance, den Klimawandel noch in vertretbaren Bahnen zu halten - wenn schnell damit begonnen wird.
Wozu die Aufregung - früher war es zum Teil viel wärmer.
Kurven, die vortäuschen, in der "mittelalterlichen Warmzeit" habe es global höhere Temperaturen gegeben als heute, sind veraltet oder gefälscht. Tatsächlich lagen auch die globalen Mitteltemperaturen schon höher als jetzt: Vor 55 Millionen Jahren stiegen die Temperaturen in wenigen tausend Jahren um 5 bis 6 Grad - das arktische Meer war damals 23 Grad warm. Doch der Unterschied zur heutigen Situation ist frappierend: Erstens war der Temperaturanstieg damals langsam - Pflanzen und Tiere hatten also Zeit, sich anzupassen oder die Standorte zu wechseln. Zweitens gab es noch keine Menschheit, die die allermeisten Regionen der Erde besiedelt und damit die Ausweichmöglichkeiten für Tiere und Pflanzen blockiert hatte. Und drittens gab es noch nicht hunderte von Millionen Menschen, die wie heute an den Küstengegenden oder in Trockengebieten lebten.
Die Sonne ist schuld.
Ohne die Solarheizung wäre das Leben auf unserem Planeten nicht möglich. Wie sehr die Sonne mit unterschiedlich starker Strahlung auf die Erwärmung der Erde Einfluss nimmt, war lange unter Wissenschaftlern umstritten. Manche meinten, der Klimawandel lasse sich durch zunehmende Sonnenaktivität erklären. Diese These gilt als widerlegt: Messreihen aus Davos zeigen, dass über die vergangenen 20 Jahre die Sonnenaktivität nicht ansteigt, sondern im Gegenteil abnimmt - eine Erwärmung ist damit also nicht zu erklären.
Der Begriff "globale Erwärmung" ist schief: Die untere Atmosphäre kühlt ab, die Meere werden kälter. Auch in der Antarktis fallen die Temperaturen.
"Globale Erwärmung" bedeutet nicht, dass überall auf der Welt die Heizung um 0,8 Grad Celsius aufgedreht wird. Globale Erwärmung bedeutet, dass sich das gesamte Klimasystem in einem instabileren Zustand bewegt, als wir ihn kennen. Das hat zur Folge, dass bislang eingespielte Klimaregeln nicht mehr gelten, dass sich Luft- und Wasserströmungen verändern können - und auch, dass bestimmte Orte erst einmal abkühlen. Das ist wohl auch bei der Antarktis der Fall: Gegen den Trend stellte eine Studie 2002 fest, dass sich das Innere des Eiskontinents leicht abkühlt. Doch die Autoren legten Wert darauf, dass diese lokalen Messungen kein Argument gegen den Klimawandel seien. Grund für die Abkühlung ist offenbar die Zunahme der Winde, die den Kontinent umkreisen und verstärkt warme Winde aus dem Landesinneren fernhalten. Weltweit waren die angebliche "Abkühlung" der unteren Atmosphäre und des Ozeans lange gute Argumente, dass mit den Modellen etwas nicht stimmen kann - bis sich herausstellte, dass Messfehler an den Satelliten, Wetterballons und Messflößen für die widersprüchlichen Werte verantwortlich waren.
Am Ende hilft nur Atomkraft.
Die Atomenergie wird das Klima nicht retten. Denn die Vision von der weltweiten Ausbreitung der Atomkraft stößt auf ganz praktische Hindernisse: Für den Aufbau einer Nuklearindustrie braucht ein Land sehr viel Kapital, technisches Know-how, politische und ökonomische Stabilität und nicht zuletzt ein funktionierendes Stromnetz. Viele dieser Bedingungen liegen in den Entwicklungs- oder Schwellenländern nicht vor. Das IPCC prognostiziert insgesamt, der weltweite Anteil des Nuklearstroms am Gesamtbedarf der Elektrizität könne von jetzt 16 auf 18 Prozent 2030 ausgebaut werden. Das ist kein gewaltiger Schritt, um den Klimawandel zu bremsen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé