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KlimaschutzClub der Weltretter

Kommentar von Anke Lübbert

Klimaschutz ist Mainstream. Selbst Hochglanzmagazine und ProSieben engagieren sich für die gute Sache - allerdings mit zweifelhaften Motiven.

Frau Kraus eifert Frau Ciccione nach und kämpft gegen den Klimawandel Bild: dpa

S chon Anfang Juli haben hunderte Popstars bei den "Live Earth"-Konzerten weltweit auf den Klimawandel aufmerksam gemacht. Dann gab Brigitte Klima- statt Schminktipps: "Wechseln Sie Ihre Glühbirnen aus!" Und auch das People-Magazin Vanity Fair, das sich mit Herbert Grönemeyer als Vertretungs-Chefredakteur schon zum G-8-Gipfel zu Wort gemeldet hatte, hat Umweltthemen für sich entdeckt. Und zuletzt: Max.

Max versteigerte zwei Monate lang sogenannte letzte Hemden von Prominenten, um die Einnahmen daraus an die Klimaschutzorganisation "atmosfair" zu spenden. Max-Charity "für eine saubere Welt". Nun, im Septemberheft, kann man lesen, was dabei herausgekommen ist: 1.996,23 Euro für "atmosfair". Die Meldung umrahmt ein Foto, das den Musiker Thomas D. von den Fantastischen Vier in einer Badewanne voller Karotten zeigt.

Das Foto ist neben dem Editorial platziert, das mit dem Satz beginnt: "Liebe Leser, dass die Welt ungerecht ist, mag eine Binsenweisheit sein." Im darauf folgenden Text wird klar, wie Max normalerweise die Welt retten will: indem die Zeitschrift sich des Problems annimmt, dass nicht alle jungen Frauen Models werden können, obwohl sie das doch so gerne wollen.

Es mutet daher zunächst ein wenig überraschend an, dass immer mehr profitorientierte Medien gegen den Klimawandel anzukämpfen versuchen. Siegfried J. Schmidt, emeritierter Kommunikationswissenschaftsprofessor der Universität Münster, überrascht das allerdings wenig. Er sagt, er sehe einen Zusammenhang mit der "Neuentdeckung von Ethik durch die Wirtschaft", einem Prozess, der vor zwei bis drei Jahren eingesetzt habe. Man könne heute "niemandem mehr weismachen", sagt er, "dass ein Produkt besser ist als das andere. Also setzt man auf eine angenehme moralische Wärme: Man ist gut." Und Gutsein ist auch gut für die Auflage.

Die Profiteure der Entwicklung sind Unternehmen wie "atmosfair". Mit dem Geld, das die Max-Aktion einbrachte, will es Wasserpumpen finanzieren. Geschäftsführer Daniel Brockhagen äußert sich dementsprechend erfreut: "Aktionen wie diese zeigen, dass Klimaschutz nicht nur für Ökostreber ist." Gegen die Folgen des Medieninteresses also kann man nur schwer etwas haben.

Als größter Klimaretter präsentiert sich aber ProSieben. Der Klimawandel bietet den nötigen emotionalen Kitt für die Themen des populärwissenschaftlichen Magazins "Galileo". ProSieben hat dafür eine eigene Klimakampagne namens "CO2NTRA" initiiert - mit prominenter Rückendeckung. Nena komponierte den Titelsong der Kampagne, "Mach die Augen auf", und in Anzeigen und Werbespots für die Kampagne treten allerlei ProSieben-Gesichter auf, allen voran Moderatorin Sonya Kraus, eine Ikone der Substanzlosigkeit: "Sonya ist CO2NTRA. Du auch?"

Siegfried J. Schmidt sagt, er wolle "gar nicht ausschließen, dass einige tatsächlich langsam einen Schrecken bekommen". Das Motiv, die Klimaveränderungen zu thematisieren, sieht er jedoch eher darin, "dass Sender und Magazine nachziehen müssen", wenn ein Thema so relevant sei wie derzeit das Klima. Schmidt sagt: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass die plötzlich alle moralisch konvertiert sind."

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2 Kommentare

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  • P
    Pönk

    Der Artikel ist zwar schon etwas älter, aber ich möchte dennoch eine Lanze für die "Ikone der Substanzlosigkeit" brechen, auch wenn ich die Vermarktungssucht des Senders Pro7 für widerwärtig halte. Wenn Frau Kraus ihre Medienpräsenz nutzt, um Andere für lohnenswerte Ziele zu gewinnen, sei ihr das gegönnt. Wie sie sich durch ihren Arbeitgeber vermarkten läßt, ist ihre Sache. Allerdings ist mir durch persönliches Erleben von Afghanistan aus bekannt, daß ihre Handlungen alles andere als substanzlos sind und sie, von der Öffentlichkeit unbemerkt, von sich aus dort tätig wird, wo geholfen werden kann und muß. Daß ihr nun gerade hier implizit vorgeworfen wird, daß sie das nicht "substanziel" öffentlich macht, finde ich bemerkenswert.

     

    Ich ziehe es vor, wenn sich jemand, ungeachtet seiner medialen Präsenz, still engagiert ,anstatt sich in Selbstgefälligkeit zurückzulehnen und über andere zu schwadronieren, wie es die Artikelautorin hier tut.

  • S
    seebaerli

    Hauptsache man bildet die Meinung. Dann rollt auch der Rubel.