Klimaschutz: Berlin spart lieber Geld als Kohlendioxid
Weil die Stadt boomt und der Verkehr zunimmt, sind die Klimaziele des Berliner Senats kaum einzuhalten. Zumal die Politik zu wenig macht, was Geld kostet, kritisieren Umweltverbände.
Umweltfreundliche Autos dominieren das Straßenbild, die öffentlichen Gebäude und Wohnungen sind allesamt mit Ökostrom versorgt, immer mehr Hauptstädter fahren Fahrrad. Eine Utopie, der sich Berlin nur langsam nähert. Zwar reden derzeit wieder alle über das Klima, und auch Berlin hat sich viel vorgenommen in Sachen Klimaschutz. Doch momentan stagniert die Senkung der CO2-Emission, in manchen Bereichen ist sie sogar rückläufig. Ursache dafür ist laut Umweltsenat vor allem der erhöhte Verkehr. Boomtown Berlin ist ein Klimakiller.
Laut Landesenergieplan will der Senat die CO2-Emission bis 2010 um 20 Prozent verringern - im Vergleich zu den Zahlen aus dem Jahr 1990. Damals blies die Stadt über 30 Millionen Tonnen pro Jahr in die Luft. 1998 konnte Berlin bereits die Erfolgsquote von 18 Prozent weniger CO2-Ausstoß verkünden. Doch diese Verbesserung ist zu großen Teilen auf den Zusammenbruch der Wirtschaft in Ostberlin zurückzuführen. Auch die Industrie in Westberlin zog sich aufgrund des Subventionsstopps nach dem Mauerfall zurück, erinnert Andreas Jarfe, Landesgeschäftführer des BUND.
Außerdem, kritisiert er, seien die Ansätze des Landesenergieplans "teilweise etwas halbherzig". Innovative Ideen, wie die gezielte Förderung eneuerbarer Energien oder der Fahrradkultur dieser Stadt, fänden sich in dem Energiesparkonzept nur in Anfängen. So sieht das auch Patrick Löhr, Klimaexperte von Greenpeace Berlin: "Da könnte noch viel mehr passieren auf Berlins Dächern." Zurzeit haben laut Senatsverwaltung 1.183 Gebäude Photovoltaikanlagen installiert.
Trotzdem ist der Staatssekretär von Umweltsenatorin Karin Lompscher (Linke), Benjamin Hoff, zuversichtlich, bis 2010 die geplanten 20 Prozent CO2-Einsparung zu erreichen: "Wir gehen davon aus, dass wir in den nächsten drei Jahren besonders im Bereich Wohnung und Bauen einsparen werden." Dabei hoffe man vor allem "auf technologische Neuerungen, die bei der CO2-Einsparung helfen", sagte er der taz.
Großes Sparpotenzial hat der Senat auch bei der Gebäudesanierung ausgemacht: Im Gesamtkonzept für die städtischen Wohnungsbaugesellschaften wurden diese verpflichtet, in den kommenden Jahren rund 1,5 Milliarden Euro in die Sanierung ihrer Wohnungen zu investieren. Damit will der Senat den bundesweiten Niedrigenergiestandard flächendeckend erreichen. Das Problem ist jedoch: Diese Vorgabe gilt nicht für private Wohnungseigner. Diese müssen nur dann energiesparende Maßnahmen durchführen, wenn eine selbst initiierte Wohnungssanierung über 20 Prozent der Eigentumsfläche geplant ist. Die Lücken dieser gesetzlichen Verordnung werden von Architekten gerne genutzt, bemängeln die Umweltverbände: Denn indem man jeweils immer nur 19,5 Prozent eines Eigentums saniert, kann man sich die Energiesparmaßnahmen schenken.
Zudem präsentiert sich der Senat selbst nicht gerade als Vorbild. 2005/06 war der Ökostromanbieter Lichtblick noch Stromversorger für den Berliner Senat und öffentliche Gebäude - damals war das Hamburger Unternehmen das günstigste. Bei der erneuten öffentlichen Ausschreibung für 2007/2008 fiel die Entscheidung jedoch auf Vattenfall - wiederum wegen des Preises. Dabei ist es laut Greenpeace möglich, mit Ökostrom über 90 Prozent CO2 einzusparen. "Wenngleich Berlin mit der Nutzung von Energie aus Kraft-Wärme-Kopplung schon fortschrittlich ist, regiert offensichtlich immer noch das Geld über den Klimaschutz", sagt Löhr.
Ein besonders herber Rückschlag für die Berliner Klimaschutzanstrengungen wäre das von Vattenfall geplante Kohlekraftwerk mit Kraft-Wärme-Kopplung in Klingenberg. Das soll das veraltete Braunkohlekraftwerk am Lichtenberger Spreeufer ersetzen. "Mit diesem gigantischen Kraftwerk würde Berlin alle positiven Impulse zunichte machen", sagt Greenpeace-Mann Löhr. Auch die Umweltsenatorin ist strikt gegen das Mammutprojekt, das in seiner ursprünglichen Planung rund 4,5 Millionen Tonnen Kohlendioxid pro Jahr produzieren würde.
Allerdings wird es angesichts der Bedenken von Umweltexperten und der Proteste von Bürgerinitiativen und Anwohnern immer unwahrscheinlicher, dass die Politik das Großvorhaben in dieser Form genehmigt. Die Bedenken sind verständlich: Würde es zur Inbetriebnahme des Kraftwerks kommen, wäre der CO2-Verbrauch in Berlin wieder auf dem Stand von 1990.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!