Klimaschutz im Berliner Wahlkampf: Die große Leerstelle
Im Wahlkampf drückten sich fast alle Parteien erfolgreich um das große Zukunftsthema Klimakrise. Auch die Klimabewegung machte keinen Druck.
S o ein Wiederholungswahlkampf ist eine undankbare Angelegenheit. Nach nur etwas über einem Jahr rot-grün-roter Regierung, das noch dazu von zahlreichen globalen Krisen geprägt war, hat sich kaum etwas an Berlins Problemlagen verändert: Die Mieten sind immer noch hoch, die Verwaltungen überlastet, die Schulen marode, und die A100 soll immer noch gebaut werden. So wirken die Debatten im Wahlkampf aufgewärmt, neue Argumente der Parteien gibt es kaum.
Ist halt so, könntet man jetzt schulterzuckend sagen, die Entscheidung des Verfassungsgericht kam ja überraschend, und so richtig gewollt hatte die Wiederwahl niemand. Doch der Wahlkampf hätte eine Chance geboten, eine klaffende Leerstelle zu füllen, die schon 2021 wenig thematisiert wurde: die Klimakrise. Dabei müsste die Frage, wie Berlin angesichts der immer häufiger werdenden Dürren, Hitzewellen und Extremwettereignisse lebenswert bleibt, eigentlich das alles beherrschende Thema sein.
Doch bislang hat keine der im Parlament vertretenen Parteien einen Plan vorgelegt, wie Berlin seine eigenen Klima- und Umweltziele einhalten will, die 2016 im Berliner Energiewendegesetz verabschiedet worden sind und im August 2021 verschärft worden ist. Um bis 2045 klimaneutral zu werden, müsste sich allein im Gebäudesektor die Geschwindigkeit, mit der Wohnungen energetisch saniert werden, vervierfachen. Angesichts steigender Preise und des sich verschärfenden Fachkräftemangels ist dringend politisches Handeln gefragt, auch um die Modernisierungen sozial verträglich zu gestalten.
Keine Antworten
Oder der Verkehrssektor: Hier ist bis 2030 eine Reduktion von 70 Prozent Kohlenstoffdioxid geplant. Doch in den letzten Jahren sind die Emissionen kaum gesunken. Die Verkehrswende haben die Grünen zwar zum Thema gemacht. Allerdings ist es den anderen Parteien erfolgreich gelungen, das politische Projekt als eine Art Kulturkampf zwischen Rad- und Autofahrer:innen zu framen.
Statt sich auf Wahlkampfpossen wie die Sperrung der Friedrichsstraße einzulassen, hätte es gut getan, eine einfache Frage in den Vordergrund zu stellen: Wie wollt ihr die Emissionen senken? Das es nicht dazu gekommen ist, dürfte auch daran liegen, dass selbst die Grünen in vielen Bereichen darauf keine Antworten haben – oder zumindest keine Antworten, mit denen sich gut Wahlkampf machen lässt.
So wird die Notwendigkeit, in Berlin zehntausende Wohnungen zu bauen, von keiner Partei angezweifelt. Dabei wäre das aus klima- und umweltpolitischer Sicht ein Fiasko. Und inmitten der Energiekrise, in denen viele Mieter:innen nicht wissen, wie sie ihre Nebenkosten zahlen können, ist es wenig attraktiv, die Frage zu diskutieren, wer eigentlich die Kosten für die energetischen Modernisierungen tragen soll. Das Ergebnis ist eine kollektive Verdrängung der physikalischen Tatsachen, bei der letztendlich wohl die CDU als Gewinner hervorgeht.
Korrektiv Klimabewegung?
An dieser Stelle wäre eigentlich die Klimabewegung als Korrektiv gefragt, um die Klimakrise im Wahlkampf ganz oben auf die Agenda zu setzen. Die Voraussetzungen dafür waren gut: Durch die Blockaden der Letzten Generation und die Räumung Lützeraths im Januar hat die Klimabewegung wieder an Schwung gewonnen. Mit Massenaktionen des zivilen Ungehorsams hätte sich der Widerspruch zwischen realitätsverweigerndem Business-as-usual und der Klimakrise auch in der Berliner Landespolitik offenbaren können.
Doch scheinbar wurden die Wahlen nicht als lohnenswerter politischer Hebel erkannt, oder die Zeit, sich auf die Neuwahlen einzuschießen, war zu kurz. Auch die Entscheidung, den Volksentscheid Klimaneutral 2030 nicht am Wahltag stattfinden zu lassen, dürfte zur Demobilisierung beigetragen haben. Dieser soll erst am 26. März stattfinden. Vielleicht bekommt Berlin ja dann seine Klimawahl.
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