Klimakonfernz in Cancún: 2010 ist drittwärmstes Jahr
Dieses Jahr ist eines der heißesten seit dem Beginn der Wetteraufzeichnung. Aber auch besonders viele Unwetterkatastrophen wurden registriert.
BERLIN taz | Das Jahr 2010 wird weltweit höchstwahrscheinlich das drittwärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1850 sein; das aktuelle Jahrzehnt ist die wärmste Dekade, die jemals gemessen wurde. Das berichtete die Weltwetterorganisation (WMO) am späten Donnerstagabend auf der UN-Klimakonferenz im mexikanischen Cancún. Dort gehen die Gespräche über mögliche Vereinbarungen zum Klimaschutz in die heiße Phase. Besonders hohe Temperaturanstiege in diesem Jahrzehnt registrierten die Meteorologen in Grönland und der kanadischen Arktis, auf der arabischen Halbinsel, in Ostafrika und Zentralasien.
Nur wenige eng begrenzte Gebiete verzeichnen laut WMO in diesem Jahr unterdurchschnittliche Temperaturen, darunter einige Regionen in Europa, in Sibirien, im Inneren Australiens, in Teilen Südamerikas, im östlichen China sowie im Südosten der USA. In Teilen Europas und Nordasiens ist 2010 das kühlste Jahr seit mehr als zehn Jahren; Grund ist hauptsächlich der recht kalte Winter von 2009/10.
Für Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Norwegen ist das Jahr 2010 das kälteste seit 1996; Deutschland verzeichnete zudem den regenreichsten August, der bislang registriert wurde.
Gleichzeitig mit der Erderwärmung registrierten die Meteorologen zahlreiche Unwetterkatastrophen in diesem Jahr. So führte heftiger Monsunregen in Pakistan zur schlimmsten Überflutung in der Geschichte des asiatischen Landes. Mehr als 1.500 Menschen starben, 20 Millionen Menschen mussten ihre Häuser verlassen. Extrem starke Regenfälle gab es auch in Teilen Indiens und Chinas.
Im Jahr 2010 gab es aber auch extreme Hitzewellen, zum Beispiel in Russland. Moskau erlebte den heißesten Juli aller Zeiten - mit einem Monatsmittel, das 7,6 Grad über dem langjährigen Durchschnittswert lag. Die Folge der extremen Sommerhitze in Russland waren ausgedehnte und lang anhaltende Waldbrände. Japan und China verzeichneten ebenfalls die heißesten Sommer aller Zeiten.
Was aber bedeutet der globale Klimatrend für die Winter in Deutschland? Immerhin waren die vergangenen zwei Winter deutlich kälter als normal, und auch in diesem Jahr purzelten bei dem derzeitigen ungewöhnlichen Kälteeinbruch bereits einige Rekorde. Beispielsweise war es in Berlin so früh im Winter - nämlich Ende November, Anfang Dezember - in den vergangenen Jahren noch nie so kalt wie in diesem Jahr.
Das scheint den erwarteten Klimaänderungen für Deutschland zu widersprechen. Denn langfristig werden für Deutschland mildere und feuchtere Winter prognostiziert, wobei es natürlich immer wieder statistische Ausreißer nach unten geben kann.
Eine völlige Neubewertung der kalten mittel- und nordeuropäischen Winter liefert nun Vladimir Petoukhov, Physiker am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Seine These: Der Klimawandel könnte in Europa kältere Winter zur Folge haben. "Harte Winter wie der des vergangenen Jahres widersprechen nicht dem Bild globaler Erwärmung, sondern vervollständigen es", sagt Petoukhov.
Wie aber kommt es zu kälteren Wintern in Europa? Ursache könnte, das ergaben Simulationen von Forscher Petoukhov, eine Erwärmung des Nordpolarmeeres im Gebiet der Barents- und der Karasee sein, das von Norwegen bis ins westliche Sibirien reicht. Wird das Wasser dort wärmer, schrumpft die Eisfläche auf dem Meer. Dadurch erwärmen sich die über dem Wasser liegenden unteren Luftschichten, was insgesamt die vorherrschenden Luftströmungen verändert. Die Folge: Nach Europa und Nordrussland könnten - wie derzeit - verstärkt Luftmassen aus östlichen Richtungen, etwa dem eisigen Sibirien, herantransportiert werden. Dann wird die Luft kalt, auch wenn die Sonne scheint.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül