Klimakonferenz in Durban: Die Reifeprüfung
Das Kioto-Protokoll gilt als Flop, dabei ist das 14-jährige Abkommen sehr erfolgreich. Aber so ist das mit Teenagern: Ihre Existenz ist alles andere als einfach.
Der Kollege sagt: "Ach, Klimakonferenz? Würde es dem Klima nicht mehr nützen, wenn die Delegierten zu Hause blieben? Kommt doch eh nichts bei raus."
Gute Frage. Die erste Antwort fällt noch leicht: Jede Fußball-WM verursacht ein Vielfaches der Flugkilometer einer Klimakonferenz. Die zweite Frage ist schon schwieriger: Ist der internationale Klimaschutz nicht längst kiotot?
Ganz und gar nicht. Das Kioto-Protokoll ist der Versuch, eine "gefährliche menschengemachte Störung des Klimasystems zu vermeiden". Es wurde 1997 im japanischen Kioto beschlossen und bindet 191 Staaten. Das Kioto-Protokoll - oder KP, wie die Verhandler es nennen - feiert in diesem Jahr seinen 14. Geburtstag. Es ist also mitten in der Pubertät. Und das ist die Antwort auf die zweite Frage.
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Denn wer mit Teenagern zu tun hat, kennt alle diese Symptome: Der Pubertäter entfernt sich von den Eltern, er kann furchtbar nerven; Sprache und Gestus werden völlig unverständlich, er lässt sich mit dubiosen Bekanntschaften ein. Dann wieder gibt es unerwartet schöne gemeinsame Momente, die Einsicht, dass in diesem jungen Menschen viel mehr steckt, als man ahnt. Man hofft auf eine gute Zukunft und erkennt, dass dieses Kind einzigartig ist. Und dass die Erwachsenen an seinem Zustand nicht ganz unschuldig sind.
Bei KP kommt noch dazu, dass seine familiäre Situation von Anfang an schwierig war. Gezeugt in einer rauschhaften Nacht im fernen Japan, wurde das Baby bald von einem seiner wichtigsten Väter verleugnet: US-Vizepräsident Al Gore hatte in Kioto nur das schnelle Abenteuer gesucht und traute sich nie, den Bastard seinen Eltern im US-Kongress vorzustellen. KP wuchs bei vielen verschiedenen Familien auf, hat sich aber von dieser frühen Ablehnungserfahrung nie wirklich erholt.
Seine weitere Entwicklung war bestimmt von enttäuschten Erwartungen. Während sich seine Eltern darüber zerstritten, wer das Kind wie erziehen sollte, riefen andere aus der Familie immer wieder nach seinem Tod. Vor allem die USA forderten sein Blut und ließen über Jahre nichts unversucht, überall auf der Welt Klimakiller anzuheuern, um KP nach dem Leben zu trachten.
Chillen lernen
KP selbst ist nach seiner schwierigen Jugend - erst 2005 wurde es offiziell anerkannt - ein sperriger Geselle geworden: Seine Sprache ist völlig unverständlich, seine Logik oft undurchschaubar und sein Lebenswandel ist so komplex geworden, dass es kaum noch wirklich umfassende KP-Versteher gibt. Gleichzeitig hat sein Ruf gelitten und seine Gesundheit ist angegriffen: KP gilt als schwachbrüstig, rachitisch und zahnlos.
Und dann geriet KP auch noch in schlechte Gesellschaft: Seine eigentliche Familie, die Industriestaaten, versuchte immer wieder, sich ihren Verpflichtungen zu entziehen. Die arme Verwandtschaft im Süden dagegen benutzte KP oft genug als Ausrede für die eigene Faulheit und Unbeweglichkeit.
Und trotzdem: KP ist viel besser als sein ruinierter Ruf. Es hat sein Klassenziel weit übertroffen: Sollten die Industriestaaten bis 2012 insgesamt 5,2 Prozent ihrer Emissionen einsparen, werden sie tatsächlich etwa minus 11 Prozent erreichen.
Der Grund dafür sind weniger die ernsthaften Anstrengungen der Verwandten, sondern vor allem der wirtschaftliche Bankrott des russischen Familienteils und die Auslagerung der Drecksarbeit mit den hohen CO2-Emissionen an die Verwandten im Süden. Dass die Welt seit 1990 trotzdem 40 Prozent mehr Treibhausgase ausstößt, ist nun wirklich nicht KPs Schuld - sondern gerade von den Familienmitgliedern USA, China, Indien etc. zu verantworten, die sich um KP nie gekümmert haben.
Unser Vertrag in den Flegeljahren hat eine Menge versteckter Qualitäten: KP hat überhaupt erst ein System entwickelt, um Emissionen zu berechnen und zu vergleichen. Es hat weltweit Windkraft, Solarstrom und andere Öko-Energien gefördert, ohne die eine Energiewende wie jetzt in Deutschland nicht einmal denkbar wäre. Es hat Regeln entworfen, nach denen die Reichen den Armen ihr Know-how über Öko-Techniken und effiziente Behörden zur Verfügung stellen und viel Geld dafür aufgebracht.
Alle Jahre wieder versammelt es die ganze Welt zu seiner Geburtstagsparty, um daran zu erinnern, dass der Klimawandel immer noch da ist und immer schneller abläuft. Ohne KP gäbe es nicht die Diplomatie, das Geld, das Wissen und den Willen, um das Problem zu lösen. Die Welt reagiert darauf viel zu langsam - aber im Vergleich zu anderen historischen Umwälzungen wie der Völkerwanderung, der Reformation oder dem Kalten Krieg reagiert KP erstaunlich schnell, konzentriert, effizient und friedfertig.
KPs größtes Problem: Es ist ein Einzelkind geblieben. Und Ende nächsten Jahres läuft die Verpflichtung zur Emissionsreduzierung aus, die seine Eltern übernommen haben. Erst mal hängt KP dann in der Luft. Bis 2015 soll aus ihm noch etwas Ordentliches werden, hoffen seine ehrgeizigen Eltern: Ein echter Klimavertrag. Dann ist KP 18. Und muss zeigen, ob es auch als Erwachsener seine wichtigste Eigenschaft beherrscht: chillen - abkühlen.
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