Klimakonferenz in China: Schuldzuweisungen in schrillem Ton
Die ruhige Geschäftigkeit der ersten Tage ist in Tianjin vorbei: China und die USA drohen sich gegenseitig über die Medien, und Verfahrensfragen bremsen die Verhandlungen
Während sich die Klimakonferenz im chinesischen Tianjin dem Ende zuneigt, nutzen die USA und China vermehrt die Medien, um ihren Standpunkt voranzutreiben. Den Anfang hat der US-Chef-Unterhändler Jonathan Pershing gemacht: In einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz am Mittwochabend forderte er, dass die großen Entwicklungsländer internationalen Kontrollen ihrer Klimaschutzmaßnahmen zustimmen - eine altbekannte US-Position.
Aber dann kam die Drohung: "Die Konsequenzen eines Misserfolgs in Cancún sind etwas, worüber man sich Sorgen machen sollte", sagte Pershing. "Dies könnte bedeuten, dass wir nicht mehr alleine auf die UN-Verhandlungen setzen." Kurz, die USA drohen, sich teilweise aus den Klimaverhandlungen zurückzuziehen, und bereiten den Boden vor, um China dafür die Schuld geben zu können. Denn China ist das Land, das am vehementesten gegen internationale Kontrollen kämpft.
Der Leiter der chinesischen Delegation, Xie Zhenhua, ließ daraufhin keinen Zweifel daran, was er von der US-Position hält: "Ein Industriestaat, dessen Namen ich jetzt nicht nenne, hat seinen Job nicht getan. Er stellt anderen Ländern weder Geld noch Technologie zur Verfügung und doch verlangt er von ihnen, dass sie sich einem strikten Kontrollregime unterwerfen. Das ist empörend. Das ist völlig inakzeptabel." Der chinesische Unterhändler wiederholt hier eine altbekannte chinesische Position: Kontrollen soll es nur für Klimaschutzmaßnahmen geben, die finanziell von den Industriestaaten gefördert werden. Maßnahmen, die China freiwillig ergreift und auch selber bezahlt, sollen also keiner Kontrolle unterliegen.
Sowohl die amerikanische wie auch die chinesische Position kennt man bereits aus Kopenhagen. Der vordergründige Gegenstand des Streits ist also nicht neu. Umso erstaunlicher ist es, dass er derart vehement über die Medien ausgetragen wird, sagt Wendel Trio von Greenpeace. Das Third World Network und andere Nichtregierungsorganisationen vermuten daher, dass es den USA um etwas anderes geht: "Die amerikanische Innenpolitik verhindert derzeit, dass die USA beim Kampf gegen den Klimawandel eine globale Führungsrolle einnehmen. Die Obama-Regierung muss aufhören, so zu tun, als könne sie führen, und sie darf nicht länger versuchen, den Rest der Welt auf ihr niedriges Niveau hinunterzuziehen." Kurz, die Dritte-Welt-Organisationen vermuten, dass der Streit mit China davon ablenken soll, dass die USA immer noch kein Klimagesetz haben.
Gestritten wird aber nicht nur in den Medien, sondern auch hinter verschlossenen Türen. Die Taktik der Wahl sind hier prozedurale Fragen. So beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe, die eigentlich über die Zukunft des Kioto-Protokolls verhandeln sollte, mit der Frage, ob sie das überhaupt darf. Die Arbeitsgruppe besteht seit drei Jahren. Eigentlich sollte den Beteiligten klar sein, wofür sie zuständig sind. Aber auch hier unterscheiden sich der vordergründige Anlass des Streits und der eigentliche Grund: Das Kioto-Protokoll verpflichtet die Industriestaaten zu Emissionssenkungen bis 2012. Was danach kommt, wird derzeit verhandelt. Es ist aber zunehmend klar, dass am 1. Januar 2013 noch keine neuen Verpflichtungen in Kraft sind. Bis diese in Kraft treten, gibt es also eine Lücke. Nun geht es um die Frage: Wem wird vor der Weltöffentlichkeit dafür die Schuld in die Schuhe geschoben werden? Ob die betroffene Arbeitsgruppe über die Lücke nachdenken darf oder nicht, ist da nur vorgeschoben.
Diese und andere Streitigkeiten dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch echte Fortschritte gemacht werden. So wird derzeit eine Liste diskutiert, die zeigt, was bei der Klimakonferenz in Cancún im Dezember verabschiedet werden kann. Hier geht es darum, ein Bündel von Entscheidungen zu schnüren, das in sich ausgewogen ist und eine solide Grundlage für die Verhandlungen im kommenden Jahr bietet. Denn noch ist das Ziel, im Dezember 2011 in Südafrika ein umfassendes Klimaabkommen zu verabschieden. Der etwas schrillere Ton bei den Verhandlungen ist daher nicht unbedingt ein schlechtes Zeichen. Es könnte auch ein Hinweis darauf sein, dass im Hintergrund tatsächlich Entscheidungen getroffen werden.
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