Klimakiller Narkosegas in Krankenhäusern: Schädlich wie sieben Autostunden
Narkosegase schädigen das Klima mehr als reines Kohlendioxid. In Baden-Württemberg werden sie jetzt aus der Abluft von Krankenhäusern gefiltert.
![Ein Mann hält in einem Operationssaal einer Person eine Narkosemaske auf den Mund Ein Mann hält in einem Operationssaal einer Person eine Narkosemaske auf den Mund](https://taz.de/picture/5616988/14/30410064-1.jpg)
Zu diesen Ergebnissen kommt das Klimaprojekt im Gesundheitswesen „KliK-Green“, das von 2019 bis 2022 Potenziale zum Klimaschutz im Gesundheitswesen identifizieren sollte. Ein zentrales Ergebnis: Bei den Narkosegasen ist das Einsparungspotenzial von Kohlendioxidäquivalenten (CO2) besonders groß.
17 Millionen Narkosen werden im Jahr in Deutschland durchgeführt, viele davon immer noch mit Narkosegasen, die längst nicht immer aufgefangen werden. Denn Narkosegase werden zum größten Teil vom Patienten wieder ausgeatmet, abgesaugt und dann in die Luft abgegeben. So entspricht eine siebenstündige Operation mit dem klimaschädlichsten Narkotikum Desfluran dem CO2-Ausstoß einer siebenstündigen Autofahrt.
Um diese Emissionen künftig zu vermeiden, wurden in Kliniken wie in Heidelberg-Salem oder der Charité Berlin Maßnahmen erprobt, die den Ausstoß minimieren. So sollten Anästhesisten, wo immer es medizinisch möglich ist, auf Narkosegase verzichten und sie durch die sogenannte Minimal-Flow-Narkose reduzieren oder intravenöse oder Spinalanästhesie nutzen.
BUND fordert Filterpflicht
Das Narkosegas Desfluran, das 2.540-mal klimaschädlicher wirkt als CO2, kann heute fast immer ersetzt werden. Entweichendes Gas sollte in Filtern aufgefangen und recycelt werden, empfiehlt KliK. „Wie bei anderem Klinikmüll gilt auch für Narkosegase das Prinzip der primären Vermeidung oder Reduzierung, der Wiederverwendung sowie des Recyclings“, sagt Annegret Dickhoff, Projektleiterin Klimaschutz im Gesundheitswesen. In den praktischen Versuchen konnten damit in den Kliniken große Klimaeffekte erzielt werden.
Das erste Bundesland, das aus diesen Erkenntnissen Konsequenzen zieht, ist Baden-Württemberg. Wissenschaftsministerin Theresia Bauer hat die fünf Unikliniken in Landeshand dazu aufgefordert, Maßnahmen zum Ersatz der klimaschädlichen Narkotika oder zum Filtern und Recyceln zu treffen. „Die Maßnahmen ermöglichen es, sehr kurzfristig und ohne hohe Kosten einen relevanten Beitrag zum Klimaschutz zu leisten“, sagt die Grünen-Politikerin. Filtergeräte sind günstig. Zusammen mit einer separaten Füllstandsanzeige kosten sie knapp 400 Euro. Baden-Württemberg rechnet für die Umrüstung aller der über 200 Kliniken im Land mit Kosten von etwa 500.000 Euro. „Am Geld soll es nicht scheitern“, sagt die Ministerin.
Außerdem will sich Bauer auf Bundesebene dafür stark machen, dass die Erkenntnisse der Studie auch in anderen Bundesländern schnell umgesetzt werden. Ziel soll ein bundesweites Verbot der klimaschädlichen Narkosegase sein, ohne dass Filter zum Einsatz kommen. In Berlin führt der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) gerade mit Robert Habecks Klimaschutzministerium Gespräche, wie die Kliniken bundesweit Narkose-Emissionen einsparen können. „Unser Ziel ist, dass Filter und Vermeidung gesetzlich vorgeschrieben werden“, sagt Annegret Dickhoff vom BUND Berlin. Im ersten Schritt könnte der Filtereinbau zunächst finanziell gefördert und später die Filter in Krankenhäusern mit Operationssaal zur Pflicht werden.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Treffen in Riad
Russland und USA beschnuppern sich vorsichtig