Klimagipfel in Kopenhagen: Wohin mit den Lümmeln?
Das dänische Parlament verschärft zur Klimakonferenz das Protestrecht. Für mögliche Häftlinge ließ sich die Polizei vermutlich die Käfige vom G-8-Gipfel liefern.
STOCKHOLM taz | Zehn Tage vor dem Weltklimagipfel in Kopenhagen wird das dänische Parlament am heutigen Donnerstag das "Lümmelpaket" verabschieden, um gegen Klimademonstranten vorzugehen. Unter anderem soll eine Straßenblockade, sofern sie die Polizeiarbeit behindern könnte, mit einer Regelstrafe von 40 Tagen Haft ohne Bewährung bestraft werden. Doch nun wird spekuliert, wie die Polizei mangels Platz die Haftstrafen überhaupt umsetzen könnte. So gilt es inzwischen als wahrscheinlich, dass genau die Käfige zum Einsatz kommen, die in Deutschland für den G-8-Gipfel in Heiligendamm konstruiert worden waren.
Die Haftanstalten seien schon jetzt "brechend voll", sagt die Gewerkschaft der Gefängnisbediensteten, Dansk Fængselsforbund. "Wir haben weder die Zellen noch das Personal, womöglich 500 zusätzliche Untersuchungsgefangene unterzubringen", sagt Fængselsforbund-Vorsitzender Kim Østerbye. Wie deshalb Gerüchte besagen, soll sich die dänische Polizei für die Wiederverwendung der "G-8-Käfige" interessiert haben. Die Kopenhagener Polizei will darüber keine Auskunft geben, sondern spricht lediglich von "mobilen Aufbewahrungseinheiten", die man sich aus Schweden und Deutschland geliehen habe.
Justizminister Brian Mikkelsen erklärte: "Wir haben einen Bereitschaftsplan, um während des Klimagipfels eine große Anzahl vorläufig Festgenommener handhaben zu können." Medien berichteten am Mittwoch, reguläre Häftlinge würden aus Kopenhagener Gefängnissen in andere Haftanstalten des Landes verlegt, Einzel- zu Doppelzellen gemacht und provisorische Haftplätze in Gymnastik- und Werkstatträumen dieser Anstalten eingerichtet.
Kritik und Proteste gegen das "Lümmelpaket" haben indes zugenommen. Bei einer parlamentarischen Anhörung warnte Jonas Christoffersen, Direktor des dänischen Menschenrechtsinstituts "Institut for Menneskerettigheder", davor, die Gesetzesverschärfungen könnten passive ZuhörerInnen bei einer Protestveranstaltung treffen, nur weil die sich in einem Gebiet befänden, das die Polizei plötzlich absperre. Amnesty International sprach von einem Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention.
Doch eine parlamentarische Mehrheit aus den Stimmen der Regierungsfraktionen und der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei steht. Bei einer anderen Abstimmung im dänischen Rundfunk um das "Wort des Jahres 2009" sieht es nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen aus: "svineinfluenza" (Schweinegrippe) gegen "lømmelpakke" (Lümmelpaket). Die ersten T-Shirts "Ich bin ein Lümmel" gibt es natürlich auch schon.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Scholz fordert mehr Kompetenzen für Behörden