Klimagase in der Arktis: Alarmwerte auf Spitzbergen
Wissenschaftler messen Methanwerte auf Rekordhöhe. Fracking könnte ein Grund sein. Welche Rolle tauende Permafrostböden spielen, ist unklar.
Die von der Zeppelin-Forschungsstation in Ny-Ålesund auf Spitzbergen gemessenen Methanwerte und deren Steigerungsraten lägen deutlich über dem globalen Durchschnitt. Die weltweiten Jahresmittelwerte von rund 1815 ppb (parts per billion) seien auf Spitzbergen in den Jahren 2006 bis 2014 von 1.853 auf 1.910 ppb gestiegen. 2015 habe sich der Trend fortgesetzt. Zunächst sei man von einer kurzfristigen Tendenz ausgegangen, doch „die Kurve flacht nicht ab“, konstatiert Myhre.
Eine ähnlich rätselhafte Zunahme von Methan haben vor Kurzem Forscher in der Atmosphäre über Nordamerika festgestellt. Auch dort ist die Quelle unklar. Vermutet wird jedoch, dass deutlich mehr Methan aus undichten Fracking-Bohrungen und Pipelines austritt als bislang geschätzt. Das würde die Klimabilanz des gefrackten Erdgases deutlich verschlechtern.
Methan hat in der Atmosphäre ein 25-fach stärkeres Treibhauspotenzial als CO2. Die NILU-Wissenschaftler schätzen, dass rund 60 Prozent des weltweiten Methanausstoßes menschengemacht ist – Folge etwa von Massentierhaltung, Nassreisanbau, Verbrennung von Biomasse, Förderung fossiler Energien oder Fracking. Die Permafrostböden in Tundra und Taiga und am Grund der Ozeane polarnaher Regionen sind riesige Kohlenstoff- und Methanspeicher. Ein wärmeres und feuchteres Klima kann bewirken, dass sie verstärkt das gespeicherte Klimagas freisetzen.
Dass man gerade in der Arktisregion weit über dem globalen Durchschnitt liegende Methanwerte misst, ist für Ellen Hambro, Direktorin der norwegischen Umweltbehörde Miljødirektoratet, ein zusätzlicher Grund zur Besorgnis: „Sollte diese Entwicklung nämlich mit der Freisetzung von Methan aus auftauendem Permafrost und aus dem arktischen Ozean zu tun haben, würde das die Klimaänderungen mit einem selbst verstärkendem Effekt befeuern.“
Die NILU-ForscherInnen vermuten zwar, die auf Spitzbergen beobachtete Erhöhung könnte gerade auch auf solche regionalen Entwicklungen zurückzuführen sein – beweisen lasse sich das nicht. „Wir wissen noch nicht, inwieweit es eher menschliche Aktivität oder Auswirkungen der Klimaänderung sind, die hinter diesem Prozess stehen“, betont Myhre, Leiterin des norwegischen Messprogramms für 25 verschiedene Klimagase.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel