Klimafeindliche Energie-Nutzung: Moorburg durch die Hintertür
Die Linke wirft der Umweltbehörde vor, sie nehme den Volksentscheid zum Rückkauf der Netze und klimafreundlichen Wärmeversorgung nicht ernst genug
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Die Linke hat dem Senat vorgeworfen, den Volksentscheid zum Rückkauf der Energienetze nicht mit der nötigen Konsequenz umzusetzen. Wie zuvor schon der Hamburger Energietisch, kritisierte der Bürgerschaftsabgeordnete Stephan Jersch, dass die bisherigen Vorschläge für die Fernwärmeversorgung zu sehr auf klimaschädliche fossile Brennstoffe setzten. Damit würde das Ziel des Volksentscheids, „eine sozial gerechte, klimaverträgliche und demokratisch kontrollierte Energieversorgung aus erneuerbaren Energien“ zu schaffen, verfehlt.
Der Streit dreht sich um das Heizkraftwerk in Wedel, das den größten Teil der Fernwärme liefert. Das Kraftwerk wird mit Steinkohle betrieben, ist ineffizient und veraltet und soll deshalb abgeschaltet werden. Eine Fernwärme-Auskoppelung aus dem neuen Kohlekraftwerk in Moorburg ist am Widerstand gegen die dafür nötige Fernwärmeleitung unter der Elbe und durch Altona gescheitert.
Im Energiebeirat, einem Gremium aus Vertretern von Parteien, Verbänden, Kammern und der Wissenschaft, das die Umweltbehörde bei der Umsetzung des Volksentscheids berät, sind sechs Szenarien diskutiert worden, wie sich die Wärme aus Wedel ersetzen ließe. Dabei liegt der Anteil „grüner Wärme“ bestenfalls bei 42 Prozent.
Und damit nicht genug: „Der Senat hat es geschafft, in zwei Szenarien Moorburg zu verstecken“, kritisiert der Linken-Abgeordnete Jersch. In beiden Szenarien würde von der Müllverbrennungsanlage Rugenberger Damm (MVR) eine Fernwärmeleitung unter der Elbe hindurch nach Altona gebaut. Jersch nennt sie „Moorburgtrasse light“.
So könnte das Kohlekraftwerk Wedel mit 390 Megawatt (MW) Heizleistung ersetzt werden:
Szenario eins: 80 MW von der Müllverbrennungsanlage Rugenberger Damm (MVR) plus 100 vom Kohlekraftwerk Moorburg plus 225 von einem neuen Heizkraftwerk am Haferweg
Szenario zwei: 80 MW von der MVR und bei Bedarf bis zu 310 vom Haferweg
Szenario drei: 80 MW von der MVR, 90 von einem „Zentrum für Ressourcen und Energie“ der Stadtreinigung in Stellingen, 220 vom Haferweg
Szenario vier: 390 MW vom Haferweg
Szenario fünf: 90 MW aus Stellingen und 300 vom Haferweg
Szenario sechs: 90 MW aus dem Zentrum für Ressourcen und Energie in Stellingen, 100 aus zehn Gasmotoren in Stellingen, 200 vom Haferweg
Wunschszenario der Kritiker: Abwärme von Aurubis einbeziehen
Die Umweltbehörde verweist darauf, dass sie unter Hochdruck daran arbeite, viel erneuerbare Energie ins Netz zu bringen. Die Entscheidung fällt im Dezember.
Die Fernwärme, die die MVR in die Stadt liefern würde, fehlte dann im Stadtteil Neuhof, was durch Fernwärme aus Moorburg ausgeglichen werden müsste, so Jersch. In einem weiteren Szenario würde das Kohlekraftwerk Moorburg sogar direkt Fernwärme zuliefern – eine Horrorvorstellung der Initiatoren des Volksentscheids. „Moorburg muss so schnell wie möglich verschwinden“, findet Jersch.
Was ihm und anderen vollends unverständlich scheint, ist das Fehlen eines siebten Szenarios, das die bisher ungenützte Abwärme der Kupferhütte Aurubis einbezöge. Die von dem grünen Senator Jens Kerstan geführte Umweltbehörde begründe das „mit der – ungeprüft übernommenen – Behauptung der Vattenfall Wärme Hamburg, das Fernwärmenetz müsste erst für einen dreistelligen Millionenbetrag umgebaut werden, damit Abwärme von Aurubis in den Hamburger Westen gelangen kann“, kritisiert der Energietisch. Unter Einbeziehung von Aurubis läge der Anteil grüner Wärme einem Gutachten zufolge bei 60 Prozent.
Kleine dezentrale Blockheizkraftwerke oder Solaranlagen, mit denen die Grünen in der Umweltbehörde 2010 angetreten waren, spielen in den Szenarien keine Rolle. Ganz abgemeldet sind sie jedoch nicht. Das Kulturenergiebunker-Altona-Projekt (Kebap) werde von der Umweltbehörde durchaus unterstützt, sagt dessen Initiator Mirco Beisheim. Wegen des Zeitdrucks hält er es für legitim, Wedel durch große Einheiten zu ersetzen und durch kleine zu ergänzen. Neubaugebiete sollten jedoch dezentral versorgt werden.
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