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Kleist für eine Nacht

Hanse-Marathon? Geschenkt.Fünf Stunden und vierzig Minuten Kleist – die interessanteste sportliche Veranstaltung des Wochenendes fand bereits am Freitag in der Schauspielhaus-Kantine statt. Ulrich Haß las Kleists „Michael Kohlhaas“! Die Zuschauerreihen waren gut gefüllt, eine Schulklasse, Kleist,- Theater- oder andere Verrückte erwarteten gespannt den Startschuß, der um 23 Uhr fiel.

Die erste Pause um 0.15 Uhr wurde kollektiv an der Theke genutzt. Es gab Wein, Koteletts und viel Kaffee. In der zweiten Pause um 1.45 Uhr lichteten sich die Reihen, und zur dritten Pause gegen 3.10 Uhr kam bei dem einen oder anderen Galgenhumor auf. Um 4.40 Uhr war es dann vollbracht. Die Übriggebliebenen konnten sich sagen: Ich bin dabeigewesen.

Abzüglich dreier Pausen vier Stunden Lesen, wie hielt sich Ulrich Haß? Mit nimmermüder Ausdauer stürmte er die Kleistschen Satzgebirge. Die vor Einschüben, Nebensätzen, Erläuterungen berstenden Sprachkonstruktionen hielt er über die ganze Strecke akurat zusammen. Manchmal nahm er das Tempo aus dem Spiel, um dann urplötzlich zu überraschenden Zwischensprints anzusetzen.

Seinem Unternehmen haftete jedoch etwas Eitles an. Den Eindruck, hier habe jemand Kleist benutzt, um sich selbst zu beweisen, konnte Haß nicht verwischen. Die Liebe, das läßt sich bei Kleist lernen, hat stets auch etwas Schreckliches. Und die Liebe zu Kleist, das zeigte Haß, hat nicht nur schöne Seiten.

Dirk Knipphals

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