: Kleinstadtgeschichten
■ Die Stereophonics wollen nach wie vor einfach nur gute Songs spielen (sagen sie) – Millionen Fans hören zu
Cwmaman ist ein Örtchen in Süd-Wales, klein wie unaussprechlich. Dort lernten sich Stuart Cable und Kelly Jones kennen, wuchsen in derselben Straße auf und spielten irgendwann zusammen, Gitarre und Schlagzeug. Sie komplettierten sich mit Richard Jones – nicht verwandt, aber „the coolest fucker in town“ – am Bass und nannten sich nach einem Grammophon von Stuarts Großmutter: Stereophonics. Ihren Konzerten eilte bald ein guter Ruf voraus, von einer kleinen Sensation wurde geraunt, und irgendwann eröffneten sie für The Who in London – noch ehe ihr Debüt in den Läden stand. Wieder einmal: die neuen Beatles? Eher drei unspektakuläre Gestalten aus der Kleinstadt, die nicht trendy sein wollen – oder nie darüber nachgedacht haben.
Das zweite Album Performance and Cocktails war der Durchbruch in einer Zeit, als die Lichtgestalten des Brit-Pop sich selber demontierten: Blur musikalisch vom Mainstream abgewandt, Oasis über sich selbst gestolpert. Der Bedarf an neuen Ikonen war groß, das Interesse der Stereophonics daran eher klein. Einfach nur gute Musik wollen sie machen, fast banal muten ihre Lieder an, und das im positiven Sinne. In minimalistischer Dreier-Formation – Gitarre, Bass, Schlagzeug – spielen sie kompakte Popnummern. Nach 50.000 Fans beim heimischen Konzert in Swansea lag ihnen die Welt zu Füßen, sie tourten durch Japan und Australien. Sogar Tom Jones – ebenfalls nicht verwandt – holte die drei ins Studio. Und natürlich kassierten sie die (vermeintliche) Hipness-Messlatte „Brit Award“.
Just Enough Education to Perform heißt ihr aktuelles Werk. Mit dem Segen von DaimlerChrysler: Ursprünglich war geplant, den Titel zu JEEP abzukürzen, da fühlte sich der Autoriese in seinen Namensrechten verletzt. Egal. Kelly Jones jedenfalls präsentierte das Album auf einer Solo-Akustik-Tour durch England und platzierte sich damit als unumstrittener Kopf des Trios: der wenig fashionable Beobachter und Erzähler, der einst boxte und Film-Scripts schrieb, bis die BBC Interesse zeigte – er allerdings nicht mehr. Und Romeo & Julia-Regisseur Baz Luhrman wollte ihn für eine Liebesgeschichte in Paris besetzen. „Nur Elvis schafft es, gleichzeitig Filme zu drehen und Songs zu schreiben“, lautete Jones' Absage. So einfach ist das.
Nun spielen sie doch noch, nachdem sie ihren Hamburg-Gig im April absagen mussten und ihre Pop-Perlen im Juni ausgerechnet vor die Rock-Säue von Bon Jovi geworfen wurden. Das Warten dürfte sich gelohnt haben.
Volker Peschel
mit Feeder: Sonntag, 20 Uhr, Große Freiheit 36
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