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KommentarKleinmütig

■ Bundestag droht Blamage bei Mahnmal-Entscheidung

Die Frage ist ebenso banal wie kompliziert: Worüber soll der Bundestag demnächst abstimmen, wenn die Frage des Holocaust-Mahnmals ansteht? Daran droht nun das ganze Verfahren zu scheitern, weil die Union glaubt, daß Rot-Grün sie überrumpelt hat. Denn Rot-Grün will nur zwei Alternativen zur Abstimmung stellen – Richard Schröders überaus schlichte Idee einer Inschrift „Nicht morden“ und Eisenmans Stelenfeld mit einer kleinen didaktischen Ergänzung. Das wäre ein Kompromiß zwischen einem artifiziellen Mahnmal (im Fachjargon: Eisenman 2) und Naumanns Idee, dieses Stelenfeld mit einem Museum zu versehen. Die Union hingegen möchte legitimerweise auch über Eisenman 2 und Eisenman/Naumann abstimmen können. Und über noch vieles mehr. Alles klar?

Es ist kein Zufall, daß dieser Zwist jetzt, kurz vor der Entscheidung, ausbricht. Nun rächt sich, daß sich Staatsminister Naumann zwar als Hobby-Bauherr in Szene zu setzen wußte, daß ihn aber die undankbaren Fragen des demokratischen Verfahrens wenig interessierten. Freilich wirkt auch bei der Union manches unausgegoren. So ist die Idee, abzustimmen, ob das Mahnmal den europäischen Juden oder doch allen Naziopfern gewidmet sein soll, weltfern. Damit wird die Debatte um Jahre zurückgedreht. Auch daß es bei dem rot-grünen Plan um „zwei Scheinalternativen“ gehe, so die CSU, ist nur steile Rhetorik. Irgendwie haben manche noch nicht begriffen, daß es hier nicht um die EU-Milchquote geht.

Die Mahnmal-Debatte ist nie den Links-rechts-Fronten gefolgt. Doch nun droht die Entscheidung in Parteiengezänk zu enden. Obwohl der Fraktionszwang aufgehoben wird, könnte Rot-Grün für seinen „Eisenman plus“-Kompromiß stimmen, die Union beleidigt dagegen. Das wäre der traurige Sieg einer lächerlichen Machtlogik, eine Bankrotterklärung, an der Regierung und Opposition gleichermaßen schuld wären. Es wäre eine selbstverschuldete Niederlage der Demokratie, die nur den Walsers und ihren populistischen, antiinstitutionellen Affekten nützen würde. Deshalb sollten sich die Beteiligten schnell und ungetrübt von parteipolitischem Kleinmut auf ein Verfahren einigen. Daß die Demokratie Schaden nehmen kann, ist eine oft, zu oft verwendete dramatisierende Formel. Hier paßt sie. Stefan Reinecke

Bericht Seite 6

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