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Kleines Happening gegen Waffenexport

■ „Die meisten wollen freimachen“ / Waller SchülerInnen besuchten „Lagerhaus-Gesellschaft“

Eine Adresse in ruhiger Randlage: Das Hochhaus der Bremer Lagerhaus-Gesellschaft (BLG) im Bremer Überseehafen. An den Schreibtischen wird der hiesige Hafenumschlag von der Kaffeebohne über den Toyota bis zur falsch deklarierten Kiste mit Rüstungsgütern gemanagt. Gestern mittag eilten die Angestellten an die Fenster: Unten auf dem Hof machte sich pfeifend und johlend ungewohnter Besuch breit. „Golfkrieg — Nein Danke“ stand auf Transparenten und „Keine Waffenexporte über Bremer Häfen“.

Zum ersten Mal in der Geschichte der „Lagerhaus“ hatten sich DemonstrantInnen vor dem Verwaltungsgebäude versammelt. Sechshundert SchülerInnen vom „Waller Ring“, von der „Gesamtschule West“ und von der Schule Pestalozzi-Straße waren, nachdem sie bei Waller Rüstungs- Speditionsfirma „Cifco“ kurz angehalten hatten, zur „Lagerhaus“ in den Überseehafen weitergezogen. „Jetzt kommt das Leben“, meinte ein BLG'ler wohlgemut. Die Geschäftsleitung hatte währenddessen dafür gesorgt, daß der ungebetene Besuch draußen bleiben mußte. Die schicke Drehtür am Eingang war abgeschlossen. Die Geschäftsleitung hatte die DemonstrantInnen ursprünglich aus dem „Gefahrenbereich Hafen“ ganz heraus halten wollen, doch die Polizei hatte der Demonstrationsfreiheit vor Ort Vorrang gegeben.

Als ein Kameramann vor dem Gebäude auftauchte, kam Leben in die Schülerschar. Kleine türkische Jungs drängten und schubsten mit leuchtenden Augen gegen die lockere Kette der Polizeibeamten. Sie bugsierten erfolgreich blaue Müllsäcke, die sich mit Zeitungen vollgestopft hatten, über die Köpfe der Beamten hinweg. „Kadaver-Bag“ stand auf den makabren Müllsäcken. Sie symbolisierten die Leichen- Säcke, die die US-Army für ihre Soldaten vorhält. „Geil“ fanden die jungen Schüler das Geschiebe und Gewerfe. „Natürlich macht das Spaß“ versichert ein begeisterter kleiner Stups der Reporterin und erläutert, warum: „Da steht doch einer von RTL“. Papierknäuel und — Schnippsel flogen durch die Luft. Kleine Knaller explodierten.

„Die meisten wollen freihaben, aber unter uns sind auch welche, die für den Frieden demonstrieren“, schätzte eine Schülerin aus der 9. Klasse Realschule die Lage ein. Warum ist sie selbst heute vor der BLG dabei? „Die haben mitgemordet.“ Eine Mitschülerin: „Weil die immer noch Waffen exportieren, obwohl Krieg ist.“ Eine andere Schülerin bekannte freimütig: „Ich mache mit wegen der Schule, weil heute frei ist.“

Pressesprecher Weil erklärte gegenüber der taz, es sei „sehr verwegen, die Geschäftsleitung und 4.000 Mitarbeiter in die Nähe von Kriegsverbrechern zu rücken.“ Die Betriebsleiter seien angewiesen, dem Zoll alle Verdachtsmomente zu melden, die auf Embargo-Brecher hindeuteten — „obwohl das eigentlich nicht unsere Aufgabe ist.“

Als die Schülerschar wieder abzog, blieb ein Berg mit Papierknäuel und „Kadaver-Bags“ vor dem noblen Eingang der „Lagerhaus“ zurück. — Reste von Happening und Kriegsangst, wie sie das Hochhaus noch nie erblickt hatte. B.D.

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