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Kleiner Kompromiss in Moabit

Runder Tisch beriet gestern über die Zukunft des Krankenhauses Moabit. Die März-Gehälter werden gezahlt, doch alles andere ist weiterhin ungewiss. Bürgermeister Zeller (CDU) zeigt sich enttäuscht. Heute Demonstration der Beschäftigten

von JULIA HARBECK

Die drohende Pleite des Krankenhauses Moabit ist offenbar zunächst abgewendet worden. Nach rund sechsstündiger Verhandlung stellten Ärzte und Krankenkassen gestern Abend die Zahlung der März-Gehälter an die rund 1.400 Klinikmitarbeiter sicher. Gesundheitssenatorin Gabriele Schöttler (SPD) hatte Vetreter der Kassen, des Bezirks und die Ärztliche Leitung der Klinik an einen runden Tisch gebeten.

Die Krankenhausleitung reagierte zurückhaltend auf die Gespräche. „Die Kassen haben ein Entgegenkommen signalisiert. Trotzdem sitzen sie am längeren Hebel“, sagte der Ärztliche Leiter, Professor Gerhard Fabricius, gestern Abend gegenüber der taz. Dass der Senat am Beschluss festhalte, das Krankenhaus zu schließen, sei eine „bittere Pille für Moabit“. Das Haus sollte eigentlich am 1. Juli geschlossen werden, darf aber so lange offen bleiben, bis eine Klage vor dem Verwaltungsgericht entschieden ist.

Auch Joachim Zeller (CDU), Bezirksbürgermeister von Mitte und Aufsichtsratsvorsitzender der Klinik, zeigte sich von den Verhandlungen enttäuscht. „Die Klinik ist fest verwurzelt im Kiez, eine Schließung bleibt nicht ohne soziale Folgen.“ Vorrangig sei jetzt aber, die Zukunft der Beschäftigten und die medizinische Versorgung im Bezirk auch über den März hinaus zu sichern.

Die Kassen hatten sich geweigert, rund 28 Millionen Mark zu zahlen, deshalb drohte der Klinik in der Turmstraße die Zahlungsunfähigkeit. Die März-Gehälter, Sozialversicherung und Steuern machen rund 8 Millionen aus, die jetzt fließen.

Die MitarbeiterInnen der Klinik hatten in der Vergangenheit wiederholt auf die „rechtswidrigen Praktiken“ hingewiesen, mit denen die Kassen versuchten, den Rechtsweg zu umgehen. „Die Kampagnen der Kassen sind ein Fall von Rechtsbeugung“, sagte Prof. Ernst Kraas, stellvertretender ärztlicher Leiter. So hatte die Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassenverbände im letzten Jahr einen Rundbrief an 800 Ärzte geschrieben. Darin forderten die Kassen dazu auf, Patienten nicht mehr nach Moabit zu überweisen.

Das Sozialgericht legte den Streit in einem Vergleich bei. Danach darf Moabit nicht anders behandelt werden als andere Krankenhäuser.

Heute um 14 Uhr wollen die Beschäftigten der Klinik gegen die Krankenkassen und die Politik der Gesundheitsverwaltung demonstrieren. Vor dem Amtssitz von Senatorin Schöttler in der Oranienstraße in Kreuzberg ist eine Abschlusskundgebung geplant. Am Mittwoch soll der runde Tisch fortgesetzt werden.

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