: Kleine Parteien lösen sich aus Umklammerung
Kleine polnische Parteien wollen Koalition mit der Regierungspartei PVAP nur auf neuen Grundlagen: Offenheit der Zusammenarbeit, Loyalität, proportionale Vertretung in der Regierung ■ Aus Warschau Klaus Bachmann
Im 3. Teil der kleinen Geschichte der Revolution in Polen ortet taz-Korrespondent Klaus Bachmann erste Ansätze eines selbstbewußten Auftretens der kleineren Parteien. Bislang führten sie im Zusammenschluß der „Patriotischen Front“ ein „Mauerblümchen-Dasein“, waren von der PVAP „gleichgeschaltet“ worden.
Der Wahlkampf und die Tatsache, daß in seiner Folge zahlreiche Abgeordnete mit eigenen Ansichten und Ideen in den Sejm gewählt wurden, haben sich auch die Bündnisparteien der PVAP (SD) ausgewirkt. Das mußte selbst der Vorsitzende der Bauernpartei, der bisherige Sejm-Marschall Roman Malinowski, feststellen, als er versuchte, „seinen“ Kandidaten für den Fraktionsvorsitz vorzuschlagen: Er fiel durch zugunsten des von der Basis aufgestellten Anwalts Aleksander Bentkowski. Eine Rüge mußte die Parteiführung auch einstecken, weil sie für die Wahl des Staatstribunals nur soviele Kandidaten vorgeschlagen hatte, wie Plätze zu vergeben sind. In Zukunft, machten die Abgeordneten klar, wolle man Auswahl haben. Das gilt auch für die Präsidentenwahl. Die PVAP solle zwei Kandidaten zur Wahl stellen, forderte Fraktionsvorsitzender Bentkowski. Welchen Standpunkt die Fraktion zu den möglichen Präsidentschaftskandidaten hat, werde erst entschieden, wenn die Kandidaten offiziell aufgestellt seien. Noch rebellischer geben sich indessen die Abgeordneten der demokratischen Partei: Sie wollen überhaupt nur in der Regierungskoalition mit der PVAP bleiben, wenn die Koalition auf neue Grundlagen gestellt werde. „Offenheit der Zusammenarbeit, Loyalität, Ähnlichkeit der Programme, proportionale Vertretung in der Regierung“, zählte der SD -Vorsitzende Jerzy Jozwiak auf einer Pressekonferenz auf. Die Abgeordneten beschlossen, daß Fraktionsdisziplin nur noch in speziellen Fällen verhängt werden kann. Wenn ein solcher Fall vorliegt, entscheidet die Fraktion mit Dreiviertelmehrheit. Bei der Präsidentenwahl liege jedoch kein solcher Fall vor. Jeder Abgeordnete solle frei nach seinem Gewissen entscheiden. Ein Abgeordneter meinte gar, wenn die PVAP außer zwei Generalen nichts zu bieten habe, solle die demokratische Partei einen eigenen Kandidaten aufstellen. Der Vorschlag wurde dann mehrheitlich angenommen, so daß jetzt die Parteiführung vor dem Problem steht, in den eigenen Reihen einen geeigneten Kandidaten zu finden. Während die demokratische Partei gerade ein Referendum unter ihren Mitgliedern veranstaltet, ob sie sich in „polnische demokratische Partei“ umbenennen soll und sich so von ihrer unrühmlichen Rolle als „PVAP-Mauerblümchen“ trennen soll, gibt es ähnliche, wenn auch radikalere Überlegungen auch in der vereinigten Bauernpartei. Die nämlich wurde 1947 nach Säuberungen in der „polnischen Bauernpartei“ und der „Volkspartei“ aus diesen beiden Parteien zwangsvereinigt. Zuvor hatte der Chef der polnischen Bauernpartei, der stellvertretende Ministerpräsident Mikolajczyk, unter dem Druck des stalinistischen Geheimdienstes das Land verlassen. In der offiziellen Propaganda galt er als „imperialistische Marionette“ und die PSL, die bis zuletzt als einzige Oppositionspartei die kommunistische Machtübernahme zu verhindern trachtete, als „kapitalistische Agentur“. Nun fordern bereits einzelne Abgeordnete der ZSL, die Partei solle wieder zu den Traditionen der PSL zurückkehren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen