Kleine Chronologie von "Stuttgart 21": Prestige und Protest

Erst wurde entschieden, den Bahnhof unter die Erde zu verlegen, jetzt steigen die Bürger den Politikern in Stuttgart aufs Dach: Chronologie eines Großprojekts und des Widerstands dagegen.

Als Sperrholz-Modell ist "Stuttgart 21" den Verantwortlichen nicht groß genug. Bild: dpa

April 1994: Ministerpräsident Erwin Teufel, Oberbürgermeister Manfred Rommel sowie die Verkehrsminister Matthias Wissmann und Hermann Schaufler (alle CDU) und Bahn-Chef Heinz Dürr stellen das Projekt Stuttgart 21 vor.

November 1995: Die Projektpartner unterzeichnen eine Rahmenvereinbarung zur Finanzierung von Stuttgart 21. Veranschlagt sind 5 Milliarden Mark.

November 1997: Der Architekt Christoph Ingenhoven gewinnt den Wettbewerb für den unterirdischen Bahnhof.

Juli 1999: Die Bahn sieht keine Möglichkeit, das Projekt auf einen Schlag zu realisieren. Sie will entweder nur Stuttgart 21 oder die Neubaustrecke nach Ulm. Auch die rot-grüne Bundesregierung geht auf Distanz.

November 1999: Das Land Baden-Württemberg, Stadt Stuttgart, Regionalverband und Flughafen Stuttgart bieten an, sich mit 1,3 Milliarden Mark zu beteiligen, um beide Projekte, die sie als untrennbar verbunden sehen, zu realisieren.

Dezember 1999: Hartmut Mehdorn wird Chef der Deutschen Bahn.

Juli 2007: Oettinger bietet an, die Neubaustrecke mit 950 Millionen Euro vorzufinanzieren, damit der Bau von Stuttgart 21 im Jahr 2010 beginnen kann.

November 2007: In einer Unterschriftenaktion wenden sich 67.000 Bürger gegen Stuttgart 21.

Dezember 2007: Der Stuttgarter Gemeinderat lehnt mit 45 zu 15 Stimmen den Antrag auf Zulassung eines Bürgerentscheids ab.

Juli 2008: Auch das Regierungspräsidium weist die Widersprüche als unbegründet zurück.

Juli 2008: Die Münchner Vieregg-Rössler GmbH, ein Beratungsbüro für Schienenverkehr, errechnet Gesamtkosten zwischen 6,9 und 8,7 Milliarden Euro.

August 2008: Die Landesregierung gibt Gesamtkosten in Höhe von 5,08 Milliarden Euro an. Davon sollen auf Stuttgart 21 exakt 3,076 (plus 1,45 Milliarden Risikovorsorge), auf die Neubaustrecke 2 Milliarden Euro entfallen.

Dezember 2008: Der Bundesrechnungshof ermittelt Mehrkosten von 2,4 Milliarden Mark. Das Verkehrsministerium weist das Gutachten als unbegründet zurück.

Juni 2009: Bei den Stuttgarter Gemeinderatswahlen werden die Grünen zur stärksten Kraft und steigen auf 25,3 Prozent.

21. Dezember 2009: Bahn-Chef Rüdiger Grube versichert, die Kosten für Stuttgart 21 würden nicht über die "Sollbruchstelle" von 4,5 Milliarden Euro hinausgehen.

2. Februar 2010: Exministerpräsident Günther Oettinger, Verkehrsminister Peter Ramsauer, Oberbürgermeister Wolfgang Schuster, Bahn-Chef Rüdiger Grube und Projektsprecher Wolfgang Drexler heben den Prellbock 049 aus den Gleisen. Der offizielle Baustart.

13. August 2010: Die Bagger beginnen das Dach des Hauptbahnhofs abzureißen. Zuvor hatte es einen "Stuttgarter Appell" gegeben, den 20.000 Bürger unterzeichnet haben.

25. August 2010: Während sieben Aktivisten auf das Bahnhofsdach klettern und Tausende den Verkehr in der Innenstadt lahmlegen, betont Oberbürgermeister Schuster, er lasse sich die Stimmung "nicht vermiesen".

27. August 2010: Zehntausende bilden eine Menschenkette um den Bahnhof. Bahn-Chef Rüdiger Grube erklärt, die Heftigkeit des Widerstands habe ihn überrascht.

29. August 2010: Bahn-Chef Rüdiger Grube schlägt ein Spitzengespräch mit den Projektgegnern vor.

1. September 2010: Mehr als 1.500 Menschen demonstrieren vor dem Amtssitz von Ministerpräsident Stefan Mappus.

7. September 2010: Der frühere Landesvorsitzende und Vordenker der SPD, Erhard Eppler, fordert einen Baustopp und einen Volksentscheid, um den "inneren Frieden" in Stuttgart zu sichern. Einen Tag danach verlangt dies auch die baden-württembergische SPD-Spitze.

8. September 2010: Die Grünen präsentieren ein Gutachten, das die Kosten der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm auf 5,3 Milliarden Euro beziffert. Die Bahn hatte bis dahin 2,9 Milliarden angegeben. Laut einer Umfrage von Infratest Dimap müssen die Volksparteien bei den Landtagswahlen im März 2011 mit Verlusten rechnen. Die CDU liegt bei 35 Prozent (44,2 in 2006) und die SPD bei 21 (25,2) Prozent. Die Grünen würden danach ihr Ergebnis von 11,7 auf 27 Prozent mehr als verdoppeln.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.