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Kommentar Stuttgart 21SPD auf totem Gleis

Nadine Michel
Kommentar von Nadine Michel

Drexlers Solidarität mit seiner Partei kommt zu spät. Wenn er dem Lockruf für diesen Job von Anfang an widerstanden hätte, wäre ihm viel Ärger erspart geblieben.

I n der Auseinandersetzung um das Milliardenprojekt "Stuttgart 21" versucht die SPD einen Spagat hinzulegen, der nicht gelingen kann. Auf der einen Seite bekräftigen die Sozialdemokraten ihre Haltung pro Bahnhofsbau, die sie von Anfang an hatten. Doch da nun die Stimmung in der Bevölkerung gekippt ist und die Landtagswahl näher rückt, wollen die Genossen plötzlich eine Volksabstimmung. Wie die rechtlich möglich wäre, erklärten sie vor eineinhalb Wochen. Wie der Schlingerkurs, den sie selbst hinlegen, funktionieren soll, hingegen nicht.

Denn wenn alles so vereinbar wäre, wie es die Parteispitze gerade zu verkaufen versucht: Baustopp fordern, aber für Stuttgart 21 werben - warum musste dann ihr "Mister Stuttgart 21" von Bord gehen? Wolfgang Drexler hat der SPD mit seinem Rücktritt als Kommunikationschef des Projekts selbst bescheinigt, dass es so nicht geht: Da sowohl die Landtags- als auch die Bundestagsfraktion einen Baustopp fordern, könne er das Sprecheramt nicht länger ausführen.

Dass die Kombination nicht glaubwürdig ist, hat die Öffentlichkeit schon längst erkannt. Ihr Umfaller-Image wird die SPD so schnell nicht mehr loswerden. Die Union schlägt bereits in diese Kerbe, der Rücktritt sei ein erneutes Zeichen für die innere Zerrissenheit der SPD. Auch die Häme der Projektgegner wird Drexler und seiner Partei sicher sein.

Nadine Michel

ist Baden-Württemberg-Korrespondentin der taz.

Sie haben - wie viele andere - den Protest der Bürger unterschätzt und kamen mit ihrer jüngsten Kehrtwende einfach zu spät. Wer jetzt für Stuttgart 21 ist, wählt die CDU. Wer dagegen ist, wird gedanklich sein Kreuz längst bei den Grünen machen. Auch Drexlers Solidarität mit seiner Partei kommt zu spät. Wenn er dem Lockruf für diesen Job von Anfang an widerstanden hätte, viel Ärger wäre ihm erspart geblieben.

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Nadine Michel
Inlandskorrespondentin
Jahrgang 1982, ist seit 2010 Korrespondentin in Stuttgart. Von dort berichtet sie über die Landespolitik sowie wichtige Wirtschafts- und Gesellschaftsthemen – und natürlich immer wieder über das Dauerthema Stuttgart 21. Zuvor arbeitete sie als Klima- und Energieredakteurin im taz-Ressort Wirtschaft & Umwelt. Ausgebildet wurde sie an der Berliner Journalisten-Schule.
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7 Kommentare

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  • DP
    Daniel Preissler

    Ich finde den Artikel zu einfach und zu reißerisch.

    Die SPD hat (aus Sicht weiter Teile der Bevölkerung und auch aus meiner eigenen) lange aufs falsche Pferd gesetzt (ich muss sagen, dass ich mich noch nicht lange damit beschäftige. Als Freiburger waren mir der Ausbau der hiesigen Tramlinie Nr.5 und der Neubau der Linie 3 erstmal näher). Die Landes- und Bundes-SPD wollte vermutlich nicht gegen CDU und FDP als Modernisierungsverhinderer dastehen und hat deshalb ebenso laut ins selbe Horn geblasen. Jetzt merkt die SPD, dass die Bev. aber ganz anders tickt - und schwächt die ursprünglich eigene (bzw. von der Union übernommene) Position ab. Sie wil aber auch nicht als inkonsequent ("Umfaller-Partei") da stehen und rückt deswegen nicht komplett von der alten Haltung ab, sondern versucht unter der Hand, die frühere Entscheidung vom Volk beseitigen zu lassen, um dan im nächsten Jahr mitregieren zu können (was ohne S 21 und den Zuwachs der Grünen noch für 30 Jahre unmöglich wäre). Ich finde das nicht wirklich beschämend - es ist immerhin eine Exit-Strategie. und sowas ist ziemlich neu für die SPD. Wenn die Politik vom Bürger lernt (jaja, in HH war ich auch anderer Meinung als die Mehrheit derer, die sich am Volksentscheid beteiligt haben) ist das ja nicht schlecht. Und die Angst vor der Propagandaschlacht (seitens der Union, aber auch einiger S 21-Gegner) bei einer kompleten Kehrtwende ist zwar übertrieben aber auch verständlich.

    Wir erleben also gerade das maximal Mögliche von Seiten der Hosenscheißer-Partei. Damit darf man dann auch mal zufrieden sein - und ihnen im Märzin ländlich geprägten Wahlkreisen die Erststimme geben!

     

    Ob wir dann wohl in Zukunft grüne Löwen auf roten Grund malen müssen? d;-) Der letzte Regierungs-wechsel hier unten ist ja gefühlsmäßig noch von Karl dem Großen und mit Gewalt durchgesetzt worden.

     

    Bleibt spannend!

    Beste Grüße,

    DP, Freiburg

  • F
    frankly

    Die Tatsache, dass sich die SPD zu spät für den Baustopp engagiert, würde alleine die Wähler in BW wohl nicht abschrecken.

    Würde man sie wählen, müsste man jedoch fürchten, dass sie als Juniorpartner Hand in Hand mit der Weiter-So - CDU den unterirdischen Milliardenbahnhof vollendet; dass sie ganz im Merkel'schen Sinne die Wahl als Zustimmung zur Großen Tiefbau - Koalition betrachten würde.

    Um wählbar zu sein, müßte sie sich nicht nur - aber vor allem - in diesem Punkt wieder zu einer echten Opposition entwickeln, weg von der stillen Teilhaberschaft an der wirtschaftsliberalen Koalition.

     

    Willy - man kann es nicht oft genug sagen - findet man in der Baden-Württemberg-SPD nur noch bei den Jusos.

  • L
    likewise

    Wenn ... hätte, wäre ...

    -- Ja, Mensch, wenn die Kommentatorin Dressler schon vor Amtsantritt gesagt hätte, wie das ausgehen wird, wäre er bestimmt nicht so hartleibig gewesen und hätte es trotzdem angenommen.

    Hinterher ist man klüger. Seien wir froh übre die, die wenigstens hinterher klüger sind und noch dazulernen und behalten wir im Hinterkopf, daß zu Zeiten seines Amtsantritts so einiges anders war. Nicht nur in der Haltung der SPD, sondern, beispielsweise, bei den Vorstellungen, die man hinsichtlich der Kosten hatte, die Stuttgart21 verschlingen wird.

  • V
    vic

    Wieder ein Bundesland, in dem der Eiertanz in der SPD dafür verantwortlich ist, dass letztlich der eigentliche Wahlverlierer CDU an der Macht bleiben wird.

    Und die "Grünen" werden sich wieder nicht scheuen, eine Koalition mit den Schwarzen einzugehen.

  • PF
    Peter Friedrich

    Sowohl CDU als auch Grüne haben ein großes Glaubwürdigkeitsproblem. Sie haben nämlich keinen Weg, wie sie den Konflikt lösen können.

    Mehr Informationen und noch heftiger dafür? Man sollte nicht den Menschen die man angeblich umwerben will Dummheit unterstellen.

    Mehr Protest? Ohne Volksabstimmung wird man die Verträge für Stuttgart 21 nicht aufheben können. Aus gutem Grund nähern sich die Grünen deshalb der Volksabstimmung.

    Gegen einen Volksentscheid und für Stuttgart 21 - diese Position kann nur jemand haben, der sich selbst nicht zutraut, die Menschen vom Projekt überzeugen zu können.

    Es bleibt nur, die Bürger entscheiden zu lassen. Und deshalb ist die SPD zwar in schwerem Fahrwasser, aber auf dem richtigen Weg. Wie jeder, der Demokratie ernst meint.

  • ST
    Stefan Thomas

    Immerhin ist Wolfgang Drexler der einzige Politiker, der auf Deutsch gesagt "seinen Arsch hingehalten hat" und keine Diskussion und keinen Konflikt gescheut hat!

  • HE
    Holzwarth Erich

    Dieser Kommentar ist leider nach dem Motto geschrieben

    alles was die SPD Politiker machen ist falsch. Die Entscheidung von Herrn Drexler sein Sprecheramt für

    S 21 aufzugeben ist konsequent und spricht für seine Glaubwürdigkeit. Er hat der SPD nicht geschadet.