: Kleine Brötchen im kalten Ofen
Der Großbäcker Horst Schiesser, bekannt aus dem Neue-Heimat-Skandal, kann seine Leute nicht mehr bezahlen. BvS fordert 30 Millionen ■ Von Annette Jensen
Berlin (taz) – Beim Großbäcker Horst Schiesser verdienen die ArbeiterInnen schon seit zwei Monaten keine Brötchen mehr. Jetzt wollen sie die Knetmaschinen abstellen. Während die Gewerkschaft Nahrung, Genuß, Gaststätten davon ausging, daß bereits gestern nachmittag in Berlin nicht mehr gearbeitet würde und bald auch in Wuppertal und Grande bei Hamburg die Öfen kalt blieben, berichtete Pressesprecher Uwe Berlo von einer vorläufigen Einigung. Erst am 8. August liefe ein Ultimatum des Betriebsrats bei City Back in Berlin ab, so Berlo. Doch auch er räumt ein: „Wir haben Liquiditätsprobleme, so daß vielleicht Personal abgebaut werden muß.“
Der Finanzengpaß der Geschi- Brot Schiesser & Sohn GmbH hat mehrere Gründe. Zum einen klagt die Treuhandnachfolgerin BvS fast 30 Millionen Mark von dem Großbäcker ein: Er hat Arbeitsplatzzusagen in Ostdeutschland nicht eingehalten und außerdem ein Grundstück in bester Berliner Lage weitaus zu billig bekommen. Nachdem wechselnde Verhandlungspartner die BvS monatelang hingehalten hatten, beschäftigen sich nun die Richter am Berliner Landgericht mit dem Fall. „Jetzt ist jede Bank für uns dicht“, klagt Uwe Berlo.
Zum zweiten wird es in über 400 norddeutschen Aldi-Filialen künftig kein Geschi-Brot mehr in den Regalen geben. Man habe sich über Qualität und Preis nicht einigen können, sagt Berlo. So werden viele der bundesweit knapp 1.000 Geschi-MitarbeiterInnen wohl bald zum Arbeitsamt müssen. Etwa 100 Jobs in Westdeutschland stehen auf der Abschußliste, räumt Berlo ein. Am nächsten Mittwoch soll darüber mit dem Betriebsrat verhandelt werden. „In Ostdeutschland sind zur Zeit keine weiteren Entlassungen geplant – wenn es keine weiteren Probleme gibt“, so der Pressesprecher.
Doch viele BeobachterInnen rechnen genau damit. Schließlich ist Konzernchef Horst Schiesser eine schillernde Figur mit umstrittenen Fähigkeiten. 1986 kaufte er die marode gewerkschaftseigene Wohnungsbaugesellschaft Neue Heimat für eine Mark, mußte sie nach 43 Tagen jedoch wieder rausrücken. Und kassierte dafür einen zweistelligen Millionenbetrag. Kurz nach der Wende machte er erneut Schlagzeilen: Er schlug der Bundesregierung vor, die gesamte DDR-Wirtschaft zu übernehmen; der Staat sollte ihm dafür einen Kreditrahmen von 713 Milliarden Mark einräumen. Während der Bundesnachrichtendienst Schiesser für einen Strohmann des DDR- Devisenbeschaffers Schalck-Golodkowski hielt, behauptete Schiesser, sein Vorschlag sei in Bonn auf höchster Ebene mit ihm verhandelt worden. Zwar wurde aus seiner Idee nichts; aber die Treuhand überließ ihm immerhin fünf ostdeutsche Backbetriebe.
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