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Klares Ja für Fristenregelung in Portugal

Mit fast 60 Prozent erreicht das Referendum über legalisierte Abtreibung in Portugal einen klaren Sieg. Doch weil sich nur 44 Prozent der WählerInnen beteiligten, ist das Ergebnis nicht bindend. Reformiert wird trotzdem, doch einige Haken bleiben

AUS MADRID REINER WANDLER

Freudentränen, Jubelschreie und Champagner – am Sonntagabend feierten hunderte von portugiesischen Frauenrechtlerinnen in einem Hotel in Lissabon ihren ganz persönlichen Sieg. Bei der Volksabstimmung über eine Freigabe des Schwangerschaftsabbruchs in den ersten zehn Wochen waren 59,25 Prozent für „Ja“ abgegeben worden, nur 40,75 Prozent waren dagegen.

Ein jahrzehntelanges Engagement der Frauenbewegung hat die Mentalität der Bevölkerung im streng katholischen Portugal langsam, aber sicher verändert. Beim letzten Referendum vor neun Jahren waren es noch knapp 51 Prozent, die gegen ein Freigabe der Abtreibung waren. Heute wie damals lag allerdings die Wahlbeteiligung unter den erforderlichen 50 Prozent. Das Ergebnis ist damit nicht bindend.

Doch die Reform wird kommen. „Das Volk hat gesprochen und es hat klar gesprochen“, erklärte noch am Wahlabend der Regierungschef José Sócrates. Der Sozialist will seine Parlamentsmehrheit nutzen, um das Gesetz zu ändern. „Der Schwangerschaftsabbruch innerhalb der ersten zehn Wochen wird künftig kein Verbrechen mehr sein“, bekräftigt er. Portugal verlässt damit die Gruppe der europäischen Länder, in denen die Abtreibung nach wie vor verboten ist. Zurück bleiben Irland, Polen, Malta, Zypern und Liechtenstein.

Rund 40.000 Portugiesinnen treiben jährlich ab. Nur 900 dieser Schwangerschaftsabbrüche werden nach dem bisher gültigen Gesetz legal durchgeführt, weil die Schwangerschaft die Gesundheit der Frau gefährdet, das Ergebnis einer Vergewaltigung ist oder der Fötus schwere Missbildungen aufweist. Der Rest der Schwangerschaftsabbrüche wird illegal durchgeführt. Wer Geld hat, sucht eine Privatklinik, die den Eingriff gegen gute Bezahlung heimlich vornimmt, oder reist ins benachbarte Spanien. Der Rest begibt sich in die Hände von Kurpfuschern. In den vergangenen 20 Jahren verloren dabei 100 Frauen ihr Leben. Das neue Gesetz wird diese Situation jetzt beenden.

Doch auch wenn das neue Gesetz in Kraft ist, liegt vor Portugals Frauenbewegung noch ein langer Weg. Viele der Ärzte in öffentlichen Krankenhäusern könnten sich auf ihr Gewissen berufen und sich weigern, den Eingriff vorzunehmen, wie im benachbarten Spanien. Dort entstand in den letzten Jahren ein breites Netz von Privatkliniken, die bisher auch von vielen Portugiesinnen frequentiert werden. Der Eingriff kostet um die 400 Euro. Feministinnen beklagen immer wieder, dass so mancher Arzt, der morgens Gewissensbisse hat, nachmittags gerne den schnellen Euro verdient.

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