: Klappe zu, nützt nichts
Populismusfurcht Das Theaterhaus Gessnerallee in Zürich sagte eine umstrittene Diskussion mit Marc Jongen ab. Viele Künster hatten gegen den Auftritt des AfD-Vordenkers protestiert
Der Teufel bleibt in der Kiste! Zack, Deckel drauf. Aber nicht einmal Kaspar glaubt, dass der Teufel jetzt verschwunden ist.
Das Theaterhaus Gessnerallee in Zürich, das mit vielen Künstlern im deutschsprachigen und im internationalen Raum zusammenarbeitet, erfährt gerade, dass das Wegzaubern nicht geht. Es hatte für den 17. März zu der Podiumsdiskussion „Die neue Avantgarde“ eingeladen mit dem Philosophen und AfD-Ideologen Marc Jongen. Mit ihm sollten aus Zürich der Kunstwissenschaftler Jörg Scheller, Olivier Kessler und Laura Zimmermann, Kopräsidentin der Operation Libero, reden. Dagegen protestierten Ende Februar viele Theater- und Kulturschaffende aus Deutschland und der Schweiz, über 300 zuerst, inzwischen 600 Leute. Dem „raffiniertesten Rhetoriker in den Reihen der AfD“ dürfe keine Bühne geboten werden.
Die Autoren listeten rechte Angriffe gegen Künstler und Kunsthäuser in Dresden, Chemnitz, Altenburg, Heidelberg und Dessau auf als Beispiele der von Jongen legitimierten „Zornpolitiken“. Zudem kritisierten sie die Zusammenstellung des Podiums, zu liberal die Gesprächspartner, um Jongen auszuhebeln. Das Theaterhaus Gessnerallee sagte daraufhin die Podiumsdiskussion ab. In der „Hitze der ausgelösten Debatte“ sei es auch zu Diffamierungen und persönlichen Beleidigungen gekommen. Damit war nun aber längst nicht Ruhe im Karton.
„Die beste Bühne für die AfD jedenfalls war bislang immer jene, die sie nicht betreten musste“, hatte Anne Hähnig, Korrespondentin der Zeit aus Leipzig, in einem Kommentar zu dem offenen Brief der Künstler geschrieben. Als Journalistin aus einer Region, in der die AfD die höchsten Umfragewerte erreiche, sei sie überzeugt, dass man mit ihnen reden muss. Die Strategie, die AfD zu marginalisieren mittels Verschweigen sei bisher immer nach hinten losgegangen.
Ähnlich argumentierte im Züricher Tagesanzeiger nach der Absage der Schweizer Regisseur Milo Rau. Er kennt das Haus gut, hat dort selbst Projekte gezeigt und koproduziert. „Das sogenannte Böse ist nicht schick. Es ist banal“, kommentierte er die Angst davor, dem „AfD-Vordenker Marc Jongen“ eine Bühne zu bieten. „Aber Freunde! Wo soll das Böse denn dekonstruiert werden, wenn nicht am Theater?“, fragt er die vielen Gegner, die die Veranstaltung zu Fall gebracht haben.
Katrin Bettina Müller
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