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Klangwanderung

■ Sechs Bassisten spielten im DesignLabor Bremerhaven mit dem Gehör

Töne wandern durch den Raum, springen von einer Ecke in die nächste, klingen von unten aus der Tiefe, purzeln plötzlich von oben herab oder brummeln torkelig wie eine betrunkene Hummel herum, stoßen mal hier an, mal dort.

So etwa mutete einiges an, was am Donnerstagabend im Bremerhavener DesignLabor zu hören war. Die akustischen Besonderheiten eines spezifischen Raumes auszutarieren, sie zum Bestandtteil der Improvisationen zu machen, ist das Bestreben des Projekts „Raummusik für sechs Kontrabässe“. Am Donnerstag hatten sich Georg Wolf (Giessen), Ulrich Phillipp (Wiesbaden), Johannes Frisch (Karlsruhe), Heinz-Peter Hoffmann (Darmstadt), Jürgen Morgenstern (Hannover) und Reinhart Hammerschmidt (Bremen) das ehemalige Stadtbad Bremerhaven zum Ort klanglicher Raumvermessungen auserkoren. Ein Raum, der nicht nur akustisch eigenwillig ist, sondern auch durch seine Architektur ungewöhnliche Möglichkeiten eröffnet.

So plazierte sich Hoffmann mit seinem Baß auf dem Fünfmeterturm, Phillipp auf der ZuschauerInnen-Tribüne, während die anderen vier sich an verschiedenen Stellen des aus zwei Ebenen bestehenden Schwimmbeckens aufgebaut hatten. Trotz der weitgehenden Kachelung des Raumes, die riesigen Fensterseiten waren stoffverhängt, war der Raumklang erstaunlich transparent, kein unangenehmer Hall.

Das Experimentieren mit den akustischen Besonderheiten des Ortes erhielt eine zusätzliche Dimension durch die Möglichkeit der ZuhörerInnen sich während des Konzertes im Raum zu bewegen. So wurden Dynamik und Präsenz des Wechselspiels von Tönen, Klängen und Geräuschen der Musiker noch mal individuell gebrochen. Je nach Standort veränderte sich das ohnehin ständig in Bewegung befindliche Klanggeschehen erneut. Am Beckenrand grummelten die in den unteren Registern gestrichenen Baßlinien aus dem tiefen Becken herauf, während vom Turm irritierende Klopfgeräusche oder quietschende Töne herunterperlten. In ihren improvisierten Stücken verzichteten die sechs Bassisten, allesamt versierte Improvisatoren, weitgehend auf melodische Momente oder harmonische Strukturen. Ihr Spiel war eher auf Dynamik, Rhythmus und Modulation ausgerichtet. Kurze gestrichene Sequenzen, mal von einem zum nächsten wandernd, mal im tutti, wechselten mit Klopfen, Quietschen, Sirren. Manchmal wirkte das wie ein akustisches Spinnennetz, das, Faden für Faden gesponnen, Struktur gewinnt. Ein ebenso spannendes wie unterhaltsames Experiment, dessen mehrdimensionales Spiel mit der Wahrnehmung entschieden mehr ZuhörerInnen verdient hätte. Arnaud

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