Klage wegen Lumumba-Tod von 1961: Mord verjährt nie
1961 wurde Patrice Lumumba, Befreiungsheld und erster Premierminister Kongos, getötet. Jetzt erhebt seine Familie Klage gegen zehn Belgier.
BRÜSSEL taz | Gut 50 Jahre nach der Ermordung des ersten kongolesischen Premierministers Patrice Lumumba haben seine Nachkommen in Brüssel Klage gegen zehn Belgier eingereicht. Die Söhne François und Roland Lumumba reagierten damit im Namen der ganzen Familie auf die Anerkennung der "moralischen Verantwortung" des belgischen Staats für Lumumbas Tod durch eine belgische parlamentarische Untersuchungskommission 2002.
Lumumba gilt als Kongos Befreiungsheld und wurde bei der Unabhängigkeit am 30. Juni 1960 Premierminister. Das Land zerfiel, er wurde abgesetzt und am 17. Januar 1961 in der abgespaltenen Bergbauprovinz Katanga umgebracht. Es ist mittlerweile erwiesen, dass die katangische Gendarmeriestaffel, die Lumumba und seine Mitstreiter Maurice Mpolo und Joseph Okito hinrichtete, vom belgischen Kapitän Julien Gat angeführt wurde.
Der belgische Kommissar Gérard Soete löste die drei Leichen in Säure auf und behielt einige Zähne Lumumbas und ein Stück seines Schädels. Den Transfer des festgenommenen Lumumba nach Katanga schlug der belgische Oberst Lopuis Marlière vor, Berater des damaligen Armeechefs und späteren Diktators Joseph Mobutu. Katangas Gendarmerie unterstand dem belgischen Major Guy Weber.
All dies wurde vom belgischen Historiker Ludo De Witte in einem Buch im Jahr 2000 aufgedeckt und danach von der parlamentarischen Untersuchung bestätigt. Und all dies ist auch der Grund, warum die Familie Lumumba jetzt die persönliche Verantwortung der Beteiligten vor Gericht geklärt haben will, sagt Lumumba-Anwalt Christophe Marchand. Die Klage richtet sich zunächst gegen Unbekannt. "Die wichtigsten Verantwortlichen sind heute tot, aber ehemalige Berater und Mitarbeiter des Außenministeriums leben noch", sagt der Anwalt.
Ein weiterer Grund ist, dass die Lumumba-Stiftung, die Belgiens Regierung nach der parlamentarischen Untersuchung eingerichtet hatte und in der die Familie Lumumba belgische Staatsgelder erhalten sollte, nicht funktioniert. Es gibt keine Einigung über ihre Ziele und Arbeitsweise, und es gibt Streit in der Familie. De Witte hält die Stiftung für einen Versuch, das Schweigen der Familie zu erkaufen und offizielle Entschädigungszahlen an das kongolesische Volk zu vermeiden.
Nicht, dass Kongos Staat jemals eine Entschädigung verlangt hätte – und die Familie Lumumba erhebt auch keine Klage gegen die an der Ermordung beteiligten Kongolesen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen